Seminar: 4.03.212 Edmund Husserl, Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins - Details

Seminar: 4.03.212 Edmund Husserl, Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins - Details

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Allgemeine Informationen

Veranstaltungsname Seminar: 4.03.212 Edmund Husserl, Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins
Untertitel
Veranstaltungsnummer 4.03.212
Semester SoSe2020
Aktuelle Anzahl der Teilnehmenden 22
erwartete Teilnehmendenanzahl 40
Heimat-Einrichtung Institut für Philosophie
Veranstaltungstyp Seminar in der Kategorie Lehre
Art/Form Blockseminar
Lernorganisation Dieses Seminar wurde auf das Format einer asynchronen Online-Lehrveranstaltung umgestellt. Von Montag, den 25.05.2020 bis Montag, den 20.07.2020 werden jeweils wöchentlich im Forum auf der Lernplattform Diskussionsthemen und Fragen zum behandelten Primärtext eingestellt, über die sich die Studierenden untereinander sowie mit der Dozentin austauschen können.
Lehrsprache deutsch

Räume und Zeiten

Modulzuordnungen

Kommentar/Beschreibung

Die Frage nach dem Wesen der Zeit gehört zu den großen Grundthemen des philosophischen Denkens. Mit Blick auf den ontologischen Status und die konkrete Verortung der Zeit haben sich bereits in der Antike zwei verschiedene Deutungsansätze herauskristallisiert, die für die weitere Beschäftigung mit dieser Thematik bestimmend geblieben sind. Aristoteles betrachtet das Phänomen der Zeit im objektiven Sinne, nämlich im Zusammenhang mit äußerlich wahrnehmbaren Naturprozessen (Gestirnumläufe, Ortsbewegung usw.), die von der erkennenden Seele mit Blick auf das Vorher und Nachher betrachtet und zum Gegenstand von Messvorgängen gemacht werden können. Gemäß diesem Modell bedarf die Zeit, um aktuell zu existieren, zwar der erkennenden Tätigkeit der Seele, hat aber ein natürliches, objektives Substrat, das dem erkennenden Subjekt äußerlich ist. Bei Augustinus hingegen wird die Zeit in einer rein innersubjektiven Weise betrachtet, nämlich als Erstreckung des menschlichen Bewusstseins (distentio animi), das sich im Modus der Erinnerung bzw. Erwartung auf das Nicht-mehr-Seiende bzw. Noch-nicht-Seiende beziehen kann. Dieses innerseelische Zeitverständnis hat dabei keinen neutral-objektiven Charakter, sondern steht mit dem biographischen Selbstverständnis des einzelnen Individuums hinsichtlich seiner persönlichen Vergangenheit und Zukunft in einem untrennbaren Zusammenhang und ist Zeichen seiner wesenhaften Endlichkeit im Vergleich zur Überzeitlichkeit und Ewigkeit Gottes.
Edmund Husserls phänomenologische Zeitanalysen zeichnen sich dadurch aus, dass sie diese Dualität zwischen objektiv-universaler Naturzeit und individuell-psychologischer Erlebniszeit unterlaufen und auf ein noch ursprünglicheres Niveau zurückführen. In seinen Texten Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins legt er dar, dass der primäre Ort der Zeitlichkeit der „heraklitische Fluss“ des transzendentalen Bewusstseins ist. Dieser Fluss ist vor-ichlicher Natur und geht somit nicht nur der objektiven Zeit der Naturvorgänge, sondern auch der erlebten Zeit des einzelnen menschlichen Individuums voraus. Dieser Ansatz ist deswegen so interessant, weil er die stillschweigende Annahme widerlegt, dass Zeitlichkeit notwendigerweise ein Synonym von Endlichkeit und Kontingenz ist. Husserl begreift die Zeitlichkeit des Bewusstseins als eine transzendentale Grundstruktur, die nicht nur auf die Wahrnehmung sinnlicher Phänomene beschränkt ist, sondern jede Art von intentionalem Gegenstandsbezug bestimmt und auch für ein unendliches, göttliches Bewusstsein Gültigkeit besitzt. Seine Konstitutionsanalysen führen ihn schließlich zum Ursprung des transzendentalen Bewusstseinsstroms, den er als „quellendes Leben“ bestimmt. Damit wird deutlich, dass Husserl – anders, als dies von Heidegger und anderen Interpreten oft behauptet wurde – mitnichten auf eine cartesianische Letztbegründung im Sinne des ego cogito abzielt, sondern den Ursprung aller Phänomenalität als radikale Zeitigung und absolutes Leben begreift.
Das Seminar verfolgt die Absicht, durch die gemeinsame Lektüre und Diskussion von Husserls Texten zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins die Originalität seines Ansatzes herauszuarbeiten und die Relevanz seiner Analysen für die gegenwärtige philosophische Diskussion zu erörtern.


Literaturhinweise

Primärtexte: Edmund Husserl, Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins (mit den Texten aus der Erstausgabe und dem Nachlass; hg. von Rudolf Bernet), Hamburg, Meiner, 2013.
Sekundärliteratur:
• Klaus Held, Lebendige Gegenwart. Die Frage nach der Seinsweise des transzendentalen Ich bei Edmund Husserl, entwickelt am Leitfaden der Zeitproblematik (Phaenomenologica 23), Den Haag, Nijhoff, 1966.
• Rudolf Bernet (Hg.), Zeit und Zeitlichkeit bei Husserl und Heidegger, Freiburg, Alber, 1983.
• Rudolf Bernet, "Husserl's Early Time-Analysis in Historical Context", Journal of the British Society for Phenomenology 40,2 (2009), 117-154.
• Dieter Lohmar / Ichiro Yamaguchi (Hg.), On Time – New Contributions to the Husserlian Phenomenology of Time (Phaenomenologica 197), Dordrecht, Springer, 2010.
• Torsten Streubel, Das Wesen der Zeit. Zeit und Bewußtsein bei Augustinus, Kant und Husserl, Würzburg, Königshausen & Neumann, 2006.
• Inga Römer, Das Zeitdenken bei Husserl, Heidegger und Ricœur, Dordrecht, Springer, 2010.
• Ralf Becker, Sinn und Zeitlichkeit: vergleichende Studien zum Problem der Konstitution von Sinn durch die Zeit bei Husserl, Heidegger und Bloch, Würzburg, Königshausen & Neumann, 2003.
• Larissa Wallner, Dimensionen der Zeit: die Zeitphilosophie Kants und Husserls, Wien, Passagen Verlag, 2018.
• Dan Zahavi, „Husserl und das Problem des vor-reflexiven Selbstbewußtseins“ (aus dem Englischen übersetzt von Holger Maaß), in: Heinrich Hüni / Peter Trawny (Hg.), Die erscheinende Welt. Festschrift für Klaus Held, Berlin, Duncker & Humblot, 2002, 697-724.
• Dan Zahavi, “Time and Consciousness in the Bernau Manuscripts”, Husserl Studies 20 (2004), 99-118.
• Friedrich Wilhelm von Herrmann, Augustinus und die phänomenologische Frage nach der Zeit, Frankfurt a. M., Klostermann, 1992.
• Udo Marquardt, Die Einheit der Zeit bei Aristoteles, Würzburg, Königshausen & Neumann, 1993.

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