Seminar: 4.03.181 Philosophie in Briefen: Der Brief als Reflexionsform und Werkkommentar im 20. Jahrhundert - Details

Seminar: 4.03.181 Philosophie in Briefen: Der Brief als Reflexionsform und Werkkommentar im 20. Jahrhundert - Details

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Allgemeine Informationen

Veranstaltungsname Seminar: 4.03.181 Philosophie in Briefen: Der Brief als Reflexionsform und Werkkommentar im 20. Jahrhundert
Untertitel
Veranstaltungsnummer 4.03.181
Semester SoSe2020
Aktuelle Anzahl der Teilnehmenden 29
erwartete Teilnehmendenanzahl 60
Heimat-Einrichtung Institut für Philosophie
Veranstaltungstyp Seminar in der Kategorie Lehre
Erster Termin Montag, 20.04.2020 10:00 - 12:00
Art/Form Seminar
Lehrsprache deutsch

Räume und Zeiten

Keine Raumangabe
Montag: 10:00 - 12:00, wöchentlich(12x)

Modulzuordnungen

Kommentar/Beschreibung

Wann haben Sie das letzte Mal einen handschriftlichen Brief verfasst, in dem Sie nicht nur Platituden des Alltagslebens fixierten und austauschten? Seit der Erfindung der Schrift durch die sumerischen Kulturen vor über 5000 Jahren, gehört der Brief als Medium der Mitteilung geistiger Inhalte zum Repertoire menschlicher Kommunikation. Erste Formen geschichtlicher Überlieferung drückten sich als Malen oder Ritzen von Zeichen auf Schriftträger wie Stein, Ton- oder Wachstafeln, Tierhäute und Papyrus aus. Heute, nachdem die Rohrfeder als Schreibgerät längst ausgedient hat, geht nichts mehr ohne die Tastatur und den Halbleitergott Silicium, worauf die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie angewiesen ist. Kontrastiv zu den neuronalen Veränderungen schriftbildlicher Denk- und Ausdrucksweisen wird die verlorene ästhetische Form des philosophischen Briefes ins Bewusstsein gehoben.
Warum schreiben Philosophen (und Literaten) Briefe? Welche Brieftypen gibt es? Warum ist die Brieflektüre großer Philosophen unverzichtbar, und warum sollte sie auch im Philosophie-, Literatur-, Kunst- oder Geschichtsunterricht höherer Schulstufen und Jahrgänge sowie im Universitätsstudium unbedingt regelmäßig praktiziert werden? Eine Antwort besteht darin, dass der Brief als Gattungsform von der Persönlichkeit des Schreibenden geprägt ist, der Neuigkeiten, Ereignisse oder Tatsachen an einen Empfänger vermittelt. Neben persönlichen Aussagen ist der Brief zugleich Ausdruck einer bestimmten Zeit und somit Psychogramm und Zeitdokument. Der Brief teilt Fakten und Urteile mit und erweitert das Verständnis der Biographe des Autors; man erfährt Pläne und Werkgedanken, Lebensbeziehungen und Bedingungen, in denen der Autor bei der Niederschrift stand. Briefe veranschaulichen Selbstkommentare, Meinungen von Dritten oder stilbildende Formen theoretischer Reflexionen, aus denen Dialoge oder Kritiken unabgegoltener Argumentationen hervorgehen, die dem diskursiven Zweck der Erweiterung oder Zurücknahme bzw. Präzisierung oder Falsifizierung eines Sachverhalts dienen können.
Korrespondenzen, so sagte der passionierte Briefschreiber Walter Benjamin, sind eindringliche Zeugnisse, denn sie „gehören zur Geschichte des Fortlebens eines Menschen und eben, wie in das Leben das Fortleben mit seiner eigenen Geschichte hereinragt, läßt sich am Briefwechsel studieren.“ (Benjamin: Gesammelte Schriften, Bd. VI., S, 95) In diesem Sinn beabsichtigt das Brief-Seminar verschiedene Themen wie sprachtheoretische, geschichtsphilosophische oder politische Konzepte, die Einwirkung zeitgeschichtlicher und kultureller Entwicklungen auf die Theoriebildung, verschiedene antifaschistische Widerstands- und Exilerfahrungen oder Erörterungen projektierter Aufsätze und Bücher sowie die autobiographische und konstellationsgeschichtliche Bedeutung von Gelehrtenportraits vorsichtig mit Hintergedanken und zarten Augen zu lesen. Das Brief-Seminar umspannt den Zeitraum von 100 Jahren, dokumentiert den empfindungsvollen Standort deutsch-jüdischer Sprach- und Geistesentwicklung und beabsichtigt ein deutliches Zeichen gegen jede Form von Begriffsentstellung, Relativierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu setzen. Ferner möchte es dazu anregen, sich näher mit Briefen, Briefkonvoluten oder Briefeditionen zu beschäftigen, weil sich hiermit vielfältige Themen für künftige Bachelor-, Master- oder Promotionsarbeiten ausdenken lassen.

Voraussetzung:
Mußestunden, Interesse am Thema und fester Entschluss zur regelmäßigen Teilnahme inklusive obligatorischer Vorbereitungslektüren!

Organisationsform:
Das Seminar bietet die Besonderheit zur fakultativen Teilnahme an zwei Tutorien, die meine Stammhörer und Schüler – die Herren Dr. Ralf Drabent und Kay Langfeldt (B. A.) – dankenswerter Weise seminarbegleitend anbieten. Unter ihrer engagierten Anleitung sollen die jeweiligen Sitzungen durch gemeinsame Problembearbeitungen vorbereitet werden, so dass sich im Seminar der flüssige Austausch über vorab geklärte und weiter zu vertiefende Verständnisfragen entwickeln kann. Zur Vorbereitung der ersten beiden Sitzungen sollten Hugo v. Hofmannsthals Text „Ein Brief“ (1902), zwei Briefe von Gershom Scholem an Werner Kraft (3. 8. 1917; 21. 9. 1917) und Walter Benjamins Brief an Scholem (22. 10. 1917) gelesen sein. Die Seminarliteratur wird im Handapparat der UB zur Verfügung gestellt und muss konsultiert werden!

Primärliteratur (Briefe in chronologischer Reihenfolge):
Hugo v. Hofmannsthal: Ein Brief [1902]. In: Ders.: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Erzählungen, erfundene Gespräche und Briefe, Reisen. Herausgegeben von Bernd Schoeller in Beratung mit Rudolf Hirsch. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1979, S. 461-472.
Gershom Scholem an Werner Kraft: 3. 8. 1917 u. 21. 9. 1917. In: Gershom Scholem: Briefe an Werner Kraft. Herausgegeben von Werner Kraft. Mit einem Nachwort von Jörg Drews. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1986, S. 16-20 u. S. 29-32.
Walter Benjamin an Gershom Scholem: 22. 10. 1917. In: Walter Benjamin: Gesammelte Briefe. Band I. 1910-1917. Herausgegeben von Christoph Gödde und Henri Lonitz. Frankfurt/Main 1995, S. 388-397.
Walter Benjamin an Florens Christian Rang: 9. 12. 1923. In: Walter Benjamin: Gesammelte Briefe. Band II. 1919-1924. Herausgegeben von Christoph Gödde und Henri Lonitz. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1996, S. 390-397.
Theodor Wiesengrund Adorno an Siegfried Kracauer: 17. 6. 1925. In: Theodor W. Adorno/Siegfried Kracauer: Briefwechsel 1923-1966. Herausgegeben von Wolfgang Schopf. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 2008, S. 77-82.
Walter Benjamin an Max Rychner: 7. 3. 1931. In: Walter Benjamin: Gesammelte Briefe. Band IV. 1931-1934. Herausgegeben von Christoph Gödde und Henri Lonitz. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1998, S. 17-21.
Walter Benjamin an Gershom Scholem: 20. 3. 1933. In: Ebd., S. 168-172.
Rudolf Bultmann an Martin Heidegger: 18. 6. 1933. In: Rudolf Bultmann/Martin Heidegger: Briefwechsel 1925-1975. Herausgegeben von Andres Großmann und Christof Landmesser. Mit einem Geleitwort von Eberhard Jüngel. Frankfurt/Main, Tübingen: Vittorio Kostermann, Mohr Siebeck 2009, S. 193-196.
Karl Jaspers an Martin Heidegger: 23. 8. 1933. In: Martin Heidegger/Karl Jaspers: Briefwechsel 1920-1963 [1990]. Herausgegeben von Walter Biemel und Hans Saner. München, Frankfurt/Main: Piper Verlag 1992, S. 155-157.
Ernst Bloch an Walter Benjamin: 18. 12. 1934. In: Ernst Bloch: Briefe 1903-1975. Zweiter Band. Herausgegeben von Karola Bloch, Jan Robert Bloch Anne Frommann, Hanna Gekle, Inge Jens, Martin Karol, Inka Mülder, Arno Münster, Uwe Olpka und Burghart Schmidt. Frankfurt/Main Suhrkamp Verlag 1985, S. 658-661.
Ernst Bloch an Walter Benjamin: 7. 5. 1935. In: Ebd., S. 661-662.
Theodor W. Adorno an Walter Benjamin: 2. 8. bis 4. 8. 1935. In: Theodor W. Adorno/Walter Benjamin: Briefwechsel 1928-1940. Herausgegeben von Henri Lonitz. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1994, S. 138-154.
Erich Auerbach an Walter Benjamin: 3. 1. 1937. In: Martin Vialon: Verdichtete Geschichtserfahrung. Erich Auerbachs Brief vom 3. 1. 1937 an Walter Benjamin. In: Michael Daxner/Waltraud Meints/Gerhard Kraiker (Hg.): Raum der Freiheit. Reflexionen über Idee und Wirklichkeit. Festschrift für Antonia Grunenberg, Bielefeld: Transcript Verlag 2009, S. 123-149, spez. S. 127-130.
Max Horkheimer an Walter Benjamin: 16. 3. 1937. In: Max Horkheimer: Gesammelte Schriften. Band 16: Briefwechsel 1937-1940. Herausgegeben von Gunzelin Schmid Noerr. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1995, S. 81-91.
Erich Auerbach an Johannes Oeschger: 27. 5. 1938. In: Martin Vialon: Wie das Brot der Fremde so salzig schmeckt. Hellsichtiges über die Widersprüche der Türkei. Erich Auerbachs Istanbuler Humanismusbrief. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 239, 14. 10. 2008, S. 16 (s. auch Ders.: Erich Auerbach schreibt über Probleme der Modernisierung in der Türkei. In: Brotschrift für Ulrich Keicher. Herausgegeben von Matthias Bormuth, Joachim Kalka und Friedrich Pfäfflin. Warmbronn: Christian Wagner Gesellschaft e. V. 2008, S. 158-167, spez. S. 158-161).
Erich Auerbach an Karl Vossler: 10. 10. 1938. In: Und wirst erfahren wie das Brot der Fremde so salzig schmeckt. Erich Auerbachs Briefe an Karl Vossler (1926-1948). Mit einem Nachwort herausgegeben von Martin Vialon. Warmbronn: Verlag Ulrich Keicher 2007, S. 24-26.
Werner Krauss an Erich Auerbach: 26. 3. 1946. In: Werner Krauss: Briefe 1922 bis 1976. Herausgegeben von Peter Jehle unter Mitarbeit von Elisabeth Fillmann und Peter Volker Springborn. Frankfurt/Main: Vittorio Klostermann Verlag 2002, S. 221-222.
Erich Auerbach an Werner Krauss: 27. 8. 1946. In: Ebd., S. 257-259.
Ernst Robert Curtius an Karl Jaspers: 28. 4. 1947. In: Ernst Robert Curtius: Briefe aus einem halben Jahrhundert. Eine Auswahl. Herausgegeben und kommentiert von Frank-Rutger Hausmann. Baden – Baden: Verlag Valentin Koerner 2015, S. 485-487.
Karl Jaspers an Hannah Arendt: 7. 1. 1951. In: Hannah Arendt/Karl Jaspers: Briefwechsel 1926-1969. Herausgegeben von Lotte Köhler und Hans Saner. München [1985]. Zürich: Piper Verlag, Neuausgabe 1993, S. 197-201.
Georg Lukács an Alberto Carocci: 8. 2. 1962. In: Georg Lukács: Schriften zur Ideologie und Politik. Ausgewählt und eingeleitet von Peter Ludz. Neuwied, Berlin: Luchterhand Verlag 1967, S. 658-680.
Gershom Scholem an Hannah Arendt: 23. 6. 1963. In: Gershom Scholem: Briefe II. 1948-1970. Herausgegeben von Thomas Sparr. München: Verlag C. H. Beck 1995, S. 95-100.
Karl Jaspers an Hannah Arendt 29. 4. 1966. In: Hannah Arendt/Karl Jaspers: Briefwechsel 1926-1969, S. 671-674.
Klaus M. Bogdal/Michael Brocke: Offener Brief an Martin Walser: 9. 11. 1998. In: Die Walser-Bubis-Debatte. Eine Dokumentation. Herausgegeben von Frank Schirrmacher. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1999, S. 119-120.

Sekundärliteratur:
Nickisch, Reinhard M. G.: Brief. Stuttgart: J. B. Metzler Verlag 1991 (Sammlung Metzler, Bd. 260).
Raabe, Paul: Einführung in die Quellenkunde zur neueren deutschen Literaturgeschichte. Stuttgart: J. B. Metzler Verlag, 3., unveränderte Auflage 1974.
Vialon, Martin: Theodor W. Adorno’s „Hornberg Letter“ to Walter Benjamin. A controversial Discussion of Historical Materialism. In: Moshe Zuckermann (Hg.): Theodor W. Adorno. Philosoph des beschädigten Lebens. Göttingen: Wallstein Verlag 2004, S. 109-130. – „Aber vielleicht wird erst der wahrhaft Leidende ganz frei“. Freya Hobohm – Werner Krauss: Eine unbekannte Freundschaft. Unveröffentlichte Briefquellen unter Berücksichtigung ihrer literaturgeschichtlichen Implikationen. In: Ottmar Ette/Martin Fontius/Gerda Haßler/Peter Jehle (Hg.): Werner Krauss: Wege – Werke – Wirkungen. Berlin: Berlin Verlag A. Spitz 1999, S. 161-190.
Voss, E. Theodor: Autographische Lebensbilder. Fundstücke aus drei Jahrhunderten. Marburg: Büchner-Verlag 2018.
Wilpert, Gero von: Brief. In: Ders.: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, 6., verbesserte und erweitere Auflage 1979, S. 105-107.

Zeitplan:
14. 04. 2020 Einführung, Hugo v. Hofmannsthal (1902)
20. 04. 2020 Scholem/Kraft: 3. 8. 1917; 21. 9. 1917; Benjamin/Scholem: 20. 10. 1917
27. 04. 2020 Benjamin/Rang: 9. 12. 1923; Adorno/Kracauer: 17. 6. 1925
04. 05. 2020 Benjamin/Rychner: 7. 3. 1931; Benjamin/Scholem: 20. 3. 1933
11. 05. 2020 Bultmann/Heidegger: 18. 6. 1933; Jaspers/Heidegger: 23. 8. 1933
18. 05. 2020 Bloch/Benjamin: 3. 10. 1934; Bloch/Benjamin: 7. 5. 1935
25. 05. 2020 Adorno/Benjamin: 2. 8./4. 8. 1935
01. 06. 2020 Pfingsten
08. 06. 2020 Adorno/Benjamin: 2. 8./4. 8. 1935; Horkheimer/Benjamin: 16. 3. 1937
15. 06. 2020 Auerbach/Benjamin: 3. 1. 1937; Auerbach/Oeschger: 27. 5. 1938; Auerbach/Vossler: 10. 10. 1938
22. 06. 2020 Krauss/Auerbach: 26. 3. 1946; Auerbach/Krauss: 27. 8. 1946; Curtius/Jaspers: 28. 4. 1947; Jaspers/Arendt: 7. 1. 1951
30. 06. 2020 Lukács/Carocci: 8. 2. 1962
07. 07. 2020 Scholem/Arendt: 23. 6. 1963; Jaspers/Arendt: 29. 4. 1966
14. 07. 2020 Bogdal und Brocke/Walser: 9. 11. 1998, Schlussgespräch.

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