Seminar: 4.03.2402 Paradigmen der Lebensphilosophie - Details

Seminar: 4.03.2402 Paradigmen der Lebensphilosophie - Details

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Allgemeine Informationen

Veranstaltungsname Seminar: 4.03.2402 Paradigmen der Lebensphilosophie
Untertitel
Veranstaltungsnummer 4.03.2402
Semester WiSe20/21
Aktuelle Anzahl der Teilnehmenden 30
erwartete Teilnehmendenanzahl 38
Heimat-Einrichtung Institut für Philosophie
Veranstaltungstyp Seminar in der Kategorie Lehre
Erster Termin Donnerstag, 29.10.2020 18:15 - 19:45, Ort: V03 0-C002
Art/Form Blockseminar
Teilnehmende Die Veranstaltung richtet sich vornehmlich an Studierende, die schon gewisse Grundkenntnisse im Bereich der Philosophiegeschichte (vor allem der Neuzeit) haben.
Voraussetzungen Voraussetzung zur Teilnahme an dem Seminar ist die Bereitschaft, an den angegebenen Präsenzterminen zu erscheinen und die auf Stud.IP zugänglich gemachten Primärtexte gründlich zu lesen.
Lernorganisation Bei der Vorbesprechung am 29. Oktober 2020 sowie bei dem Blocktermin am 4./5. März 2021 wird physische Anwesenheit erwartet. In der Vorbesprechung wird neben der Erläuterung der praktischen Organisation des Seminars eine inhaltliche Einführung in die Thematik gegeben. Während des Semesters sollen die Studierenden die Primärtexte mit Hilfe der auf der Lernplattform bzw. in der Bibliothek bereitgestellten Sekundärliteratur sowie der im Diskussionsforum von Stud.IP noch bekanntzugebenden Leitfragen und Arbeitsaufträge so vorbereiten, dass beim abschließenden Blocktermin am 4./5. März 2021 eine fruchtbare Diskussion möglich ist.
Leistungsnachweis Leistungsnachweise können in Form einer Hausarbeit oder einer mündlichen Prüfung (eventuell in digitaler Form über Zoom o.Ä.) erworben werden.
Lehrsprache deutsch

Räume und Zeiten

V03 0-C002
Donnerstag, 29.10.2020 18:15 - 19:45
Keine Raumangabe
Donnerstag, 04.03.2021 09:00 - 13:00
Freitag, 05.03.2021 09:00 - 13:00

Modulzuordnungen

Kommentar/Beschreibung

Es gibt kaum einen Begriff, der schillernder und vieldeutiger erscheint als der des „Lebens“. Im Bewusstsein der meisten Menschen ist er gleichbedeutend mit der vorbegrifflichen Unmittelbarkeit der alltäglichen Erfahrung und gilt somit als Gegenpol zur theoretischen Erkenntnis im Allgemeinen und zur Philosophie im Besonderen. Dabei wird jedoch übersehen, dass der Lebensbegriff keineswegs eine einheitliche Bedeutung hat, sondern auf ganz unterschiedliche Bereiche der Wirklichkeit verweist. Neben der biologisch-naturwissenschaftlichen Bedeutung von „Leben“ als Eigenschaft pflanzlicher und tierischer Organismen steht die ethische Bedeutung von „Leben“ als spezifisch menschlicher Lebensführung sowie die spekulativ-metaphysische bzw. theologische Bedeutung von „Leben“ als Synonym größtmöglicher Wirklichkeitsfülle und Ursprünglichkeit. Diese drei Grundbedeutungen von „Leben“ wurden bereits in der antiken Philosophie unter den drei Begriffen der "psychê", des "bios" und der "zoê" thematisiert und auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht. Dabei galt es vor allem im Gefolge des Aristotelismus als ausgemacht, dass die höchstmögliche Form menschlichen Lebens in der theoretischen Erkenntnis der Wirklichkeit besteht, durch die man sich dem absoluten Leben des Göttlichen annähern kann. In der Hierarchie der Wertigkeiten nimmt das „Leben des Geistes“ demnach eine eindeutig höhere Stellung ein als die bloße biologische Lebendigkeit und gilt folglich als das bestimmende Kriterium für eine gelungene menschliche Existenz.

Die im 19. Jahrhundert einsetzende Krise des traditionellen Paradigmas abendländischer Rationalität hat jedoch diese Identifikation von „Geist“ und „Leben“ fragwürdig werden lassen. Diese Entwicklung wird dadurch befördert, dass sich sowohl die Biologie als auch die Geschichtswissenschaft von philosophisch-theologischen Prämissen endgültig freimachen, um die belebte Natur sowie die Sphäre menschlicher Historizität und Individualität in ihrer vorbegrifflichen Konkretheit, Unmittelbarkeit und Kontingenz zu betrachten. Dies hat auch Auswirkungen auf die Philosophie, insofern nunmehr das bisher geltende Ideal begrifflicher Universalität auch von einem innerphilosophischen Standpunkt aus auf den Prüfstand gestellt und in der einen oder anderen Weise kritisiert wird. Unter dem Oberbegriff der „Lebensphilosophie“ verbergen sich unterschiedliche Denkansätze, die das Leben in bewusstem Gegensatz zur Sphäre der begrifflich fassbaren Universalität konzipieren und ihm andere Grundphänomene – historisch-psychologische Individualität, biologische Vitalität, Unmittelbarkeit des vortheoretischen Weltverhaltens usw. – gegenüberstellen. Dabei kann sich die Lebensphilosophie jedoch nicht von dem Paradox freimachen, dass sie selbst zur Verteidigung der vorbegrifflichen Unmittelbarkeit des Lebens auf begrifflich-kategoriale Sprachformen und Argumentationsmuster zurückgreifen muss und sich damit letztlich doch wieder in jenem Bereich gedanklicher Universalität bewegt, dessen Primat sie auf thematischer Ebene zu negieren gedenkt.

Das Seminar will dieser impliziten Paradoxie der Lebensphilosophie und der Vielfalt ihrer unterschiedlichen Ausprägungsformen nachgehen. Durch die Lektüre ausgewählter Texte von Nietzsche, Dilthey, Simmel, Bergson, Husserl und Heidegger soll die irreduzible Bedeutungsvielfalt des Lebensbegriffs in Bezug auf das menschliche Selbstverständnis herausgearbeitet werden. Diese breite philosophiegeschichtliche Perspektive eröffnet die Möglichkeit, die dominierende Rolle der medizinisch-naturwissenschaftlichen "Life Sciences" im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs kritisch zu hinterfragen und die philosophische Frage nach der Bedeutung des „gelungenen Lebens“ im menschlichen Sinne vor einer naturalistischen Engführung zu bewahren.


Literaturhinweise:

Eine Auswahl von Primärtexten der zu behandelnden Autoren wird zu Beginn des Seminars auf der Lernplattform in gescannter Form zugänglich gemacht.

Sekundärliteratur zur Einführung in die Thematik:

• Jürgen Große, Lebensphilosophie, Stuttgart, Reclam, 2010.
• Jürgen Große, „Revitalisierung der Lebensphilosophie?“, Philosophische Rundschau 53,1-2 (2006), 12-33. 108-129.
• Karl Albert, Lebensphilosophie: von den Anfängen bei Nietzsche bis zu ihrer Kritik bei Lukács, Freiburg, Alber, 1995.
• Angelika Ebrecht, Das individuelle Ganze. Zum Psychologismus der Lebensphilosophie, Stuttgart, Metzler, 1992.
• Robert Kozljanič, Lebensphilosophie: eine Einführung, Stuttgart, Kohlhammer, 2004.
• Matthias Neugebauer, Konzepte des ‚Bios’. Leben im Spannungsfeld von Organismus, Metaphysik, Molekularbiologie und Theologie, Göttingen, Edition Ruprecht, 2010.
• Otto Friedrich Bollnow, Die Lebensphilosophie, Berlin, Springer, 1958.
• Ernst Oldemeyer, Leben und Technik. Lebensphilosophische Positionen von Nietzsche zu Plessner, München, Wilhelm Fink Verlag, 2007 (2019: Online-Version).
• Luis Silva Santisteban, Das welterfahrende Leben. Eine phänomenologische Untersuchung, Würzburg, Königshausen & Neumann, 2000.
• Ina Schmidt, Vom Leben zum Sein. Der frühe Martin Heidegger und die Lebensphilosophie, Würzburg, Königshausen & Neumann, 2005.
• Bernward Grünewald, „Phänomenologie statt Lebensphilosophie. Was hätte Husserl zu Diltheys Begründung der Geisteswissenschaften beitragen können?“, in: W. Kluxen u.a. (Hg.), Tradition und Innovation, Hamburg, Meiner, 1988, 178-186.
• Georg Misch, Lebensphilosophie und Phänomenologie: eine Auseinandersetzung der Diltheyschen Richtung mit Heidegger und Husserl, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1967 (2. Aufl.).
• Max Scheler, "Versuche einer Philosophie des Lebens. Nietzsche - Dilthey - Bergson", in: ders., Vom Umsturz der Werte. Abhandlungen und Aufsätze (Gesammelte Werke III), hg. von Maria Scheler, Bern, Francke Verlag, 1955 (4. Aufl.), 311-339.
• Philipp Lersch, Lebensphilosophie der Gegenwart, Berlin, Junker & Dünnhaupt, 1932.
• David Jalal Hyder, Science and the Life-World. Essays on Husserl’s Crisis of European sciences, Stanford, Stanford University Press 2010.
• Evan Thompson, Mind in Life. Biology, Phenomenology, and the sciences of mind, Cambridge (Mass.), Belknap Press, 2007.

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