Seminar: 1.07.073 Exemplarische Analyse soziologischer Theorien: Michel Foucaults "Überwachen und Strafen" - Details

Seminar: 1.07.073 Exemplarische Analyse soziologischer Theorien: Michel Foucaults "Überwachen und Strafen" - Details

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Allgemeine Informationen

Veranstaltungsname Seminar: 1.07.073 Exemplarische Analyse soziologischer Theorien: Michel Foucaults "Überwachen und Strafen"
Untertitel
Veranstaltungsnummer 1.07.073
Semester SoSe2015
Aktuelle Anzahl der Teilnehmenden 1
erwartete Teilnehmendenanzahl 45
Heimat-Einrichtung Institut für Sozialwissenschaften
Veranstaltungstyp Seminar in der Kategorie Lehre
Erster Termin Dienstag, 14.04.2015 10:00 - 12:00, Ort: (A06 4-411)
Art/Form S 2SWS
Lehrsprache deutsch
ECTS-Punkte 3

Räume und Zeiten

(A06 4-411)
Dienstag: 10:00 - 12:00, wöchentlich (14x)

Studienbereiche

Modulzuordnungen

Kommentar/Beschreibung

Exemplarische Analyse soziologischer Theorien: Michel Foucaults „Überwachen und Strafen“
Mittlerweile erfreut sich das gesamte Werk Michel Foucaults (1926-1984) einer regen Rezeption in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Insbesondere finden derzeit posthum veröffentlichte Texte und Vorlesungsmitschriften einige Aufmerksamkeit und fordern gegenwartsdiagnostische Ambitionen heraus (Bröckling et al 2000). Den eigentlichen Dammbruch erreichte Foucault in den deutsch- und englischsprachigen Sozialwissenschaften aber mit der Veröffentlichung der zwei Bücher „Überwachen und Strafen“ (1975) und „Der Wille zum Wissen“ (1976), die auf Deutsch 1976 bzw. 1983 erschienen.
Dabei wurde „Überwachen und Strafen“ keineswegs kritiklos aufgenommen. Als historisch orientierte Studie über die Entstehung und gesellschaftliche Bedeutung des Gefängnisses und der modernen Strafpraxis konnte das Buch gerade bei HistorikerInnen nicht überzeugen (Wehler 1998). Als gesellschaftstheoretischer Entwurf, der dem Begriff der Macht eine analytische Vorrangrolle einräumte, konnte er bei den etablierten Vertretern kritischer Theorie Frankfurter Provenienz zunächst nicht reüssieren (Habermas 1985, Honneth 1989). Mittlerweile wird jedoch das Konzept der Genealogie, das u.a. in diesem Buch angewandt bzw. entwickelt wurde als eigenständige Form von Kritik aufgefasst (Honneth/Saar 2003, Honneth 2007, Saar 2007) und auch in den historischen Wissenschaften hat sich eine positive Rezeption etabliert (Landwehr 2008, Sarasin 2003).
„Überwachen und Strafen“ kann vielleicht trotz und aufgrund der Kritik mit Gewinn in vielzählige Richtungen gelesen werden. Es lässt sich z.B. als Beitrag zu der von Marx (1867) und Weber (1904/1905) vorgezeichneten Frage nach der Genese des Personals moderner Gesellschaften lesen. Es hat wichtige Impulse für die Neuformulierung einer marxistischen Staatstheorie geliefert (Poulantzas 1978). Es liefert ein genaueres Verständnis totaler Institutionen (Goffman 1973). Es fordert Gegenwartsdiagnosen zur Kontrollgesellschaft heraus (Deleuze 1993, Lindemann 2014). Es liefert Anregungen für die sozialwissenschaftliche Methodendebatte (Bührmann/Schneider 2008). Und schließlich liefert es viel Gesprächsstoff für die sozialtheoretische Situierung und Konturierung der Begriffe Körper und Macht.
Der Schwerpunkt im Seminar soll in der gemeinsamen Lektüre des Buches liegen. Darüber hinaus soll das Seminar Gelegenheit zur punktuell vertiefenden Diskussion über analytische Begriffe Foucaults, über Kritik an ihn oder aber zur gegenwartsdiagnostischen Kraft dieses Buches bieten.
Studierende sollten die Bereitschaft zur Lektüre mitunter längerer Texte und Diskussionsbereitschaft mitbringen. Vorkenntnisse zu Foucault werden nicht erwartet.
Zur persönlichen Anschaffung zwingend erforderlich: Foucault, Michel (1994): Überwachen und Strafen, Frankfurt am Main: Suhrkamp. Auflage egal. Kostenpunkt: 15 €





Zitierte Literatur
Bührmann, Andrea/ Schneider, Werner (2008): Vom Diskurs zum Dispositiv: Eine Einführung in die Dispositivanalyse, Bielefeld: transcript.
Bröckling et al. (2000): Gouvernementalität der Gegenwart, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Deleuze, Gilles (1993/2014): Postskriptum über die Kontrollgesellschaften, in: Ders.: Unterhandlungen 1972-1990, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 254-262.
Goffman, Erving (1973/2014): Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Habermas, Jürgen (1985): Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt am Main: Suhrkamp, Kap. 9 und 10.
Honneth, Axel (1989): Kritik der Macht, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Honneth, Axel (2007): Rekonstruktive Gesellschaftskritik unter genealogischem Vorbehalt. Zur Idee der »Kritik« in der Frankfurter Schule, in: Ders.: Pathologien der Vernunft, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 57-69.
Honneth, Axel/ Saar, Martin (2003): Michel Foucault. Zwischenbilanz einer Rezeption, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Landwehr, Achim (2008): Historische Diskursanalyse, Frankfurt am Main: Campus.
Lindemann, Gesa (2014): In der Matrix der digitalen Raumzeit, in: Kursbuch 177, Hamburg: Murmann.
Marx, Karl (1867/1989): Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation. In: Marx, K. (Hrsg.): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band. Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA), Abteilung 2, Bd. 8. Berlin: Dietz Verlag. 667-713.
Poulantzas, Nicos (1978/2002): Staatstheorie, Hamburg: VSA.
Saar, Martin (2003): Genealogie als Kritik, Frankfurt am Main: Campus.
Sarasin, Philipp (2003): Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Weber, Max (1904-1905/1972): Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. In:Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen: J.C.B. Mohr.
Wehler, Hans-Ulrich (1998): Michel Foucault. Die „Disziplinargesellschaft“ als Geschöpf der Diskurse, der Machttechniken und der „Biopolitik“, in: Ders.: Dier Herausforderung der Kulturgeschichte, München: C.H. Beck, S. 45-95.