Seminar: 4.03.2104 Der philosophische Naturbegriff von der Antike bis zu Neuzeit - Details

Seminar: 4.03.2104 Der philosophische Naturbegriff von der Antike bis zu Neuzeit - Details

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Allgemeine Informationen

Veranstaltungsname Seminar: 4.03.2104 Der philosophische Naturbegriff von der Antike bis zu Neuzeit
Untertitel
Veranstaltungsnummer 4.03.2104
Semester SoSe2021
Aktuelle Anzahl der Teilnehmenden 41
erwartete Teilnehmendenanzahl 50
Heimat-Einrichtung Institut für Philosophie
Veranstaltungstyp Seminar in der Kategorie Lehre
Vorbesprechung Freitag, 16.04.2021 10:00 - 12:00
Erster Termin Freitag, 16.04.2021 10:00 - 12:00
Art/Form Blockseminar
Voraussetzungen Philosophiegeschichtliche Vorkenntnisse sind für diese Veranstaltung von Nutzen, aber keine Voraussetzung für die Teilnahme.
Lernorganisation Das Seminar findet als digitale Blockveranstaltung über BBB statt. Dabei sollen die unterschiedlichen Naturkonzeptionen der antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Autoren anhand der gemeinsamen Lektüre und Diskussion ausgewählter Texte herausgearbeitet werden.
Leistungsnachweis Hausarbeit bzw. mündliche Prüfung (digital oder in Präsenz, gemäß den von der Universitätsleitung beschlossenen Hygienebestimmungen)
Lehrsprache deutsch

Räume und Zeiten

Keine Raumangabe
Freitag, 16.04.2021 10:00 - 12:00
Freitag, 04.06.2021 10:00 - 13:00
Samstag, 05.06.2021 10:00 - 13:00
Freitag, 25.06.2021 10:00 - 13:00
Samstag, 26.06.2021 10:00 - 13:00
Freitag, 09.07.2021 10:00 - 13:00
Samstag, 10.07.2021 10:00 - 13:00
Freitag, 23.07.2021 10:00 - 13:00
Samstag, 24.07.2021 10:00 - 13:00

Modulzuordnungen

Kommentar/Beschreibung

Der Terminus „Natur“ zählt zu den großen Grundbegriffen des philosophischen Denkens. Zugleich ist er jedoch auch in vielen Bereichen der Alltagssprache präsent und zeichnet sich durch eine schillernde Bedeutungsvielfalt aus. Eigenartigerweise ist dieser Begriff dabei fast immer positiv besetzt, so als sei die Tatsache, dass etwas „natürlich“ ist, schon ein hinreichender Beweis für die besondere Qualität der betreffenden Sache bzw. für die Rechtmäßigkeit eines bestimmten Verhaltens. Ein Blick auf die Geschichte der Philosophie zeigt jedoch, dass sich die Bedeutung dessen, was jeweils als „Natur“ verstanden wird, im Laufe der Zeit stark gewandelt hat und mit der Weltsicht der jeweiligen Epoche untrennbar verknüpft ist.

Bei den Vorsokratikern steht die physis (Natur) für jenen Gesamtzusammenhang der Wirklichkeit, der auch Götter und Menschen umfasst und von einem oder mehreren Grundprinzipien beherrscht wird. Dabei fällt auf, dass der Naturbegriff nicht eigenständig definiert wird, sondern in Abgrenzung zu einem anderen, als gegensätzlich bestimmten Terminus. In der antiken griechischen Philosophie lauten diese Gegensatzpaare physis / nomos (Natur / positives Recht), physis / tychê (Natur / Zufall) bzw. physis / technê (Natur / Kunst). Der Terminus physis steht hier also in einem extensionalen Sinn für den Gesamtzusammenhang der Wirklichkeit, die in sich selbst besteht und jedem spezifisch menschlichen Handeln vorausgeht. Der Stoizismus wiederum geht davon aus, dass die gesamte Wirklichkeit von einem vernünftigen Gesetz (logos) durchdrungen ist, das alles herrscht und lenkt. Wenn vor diesem Hintergrund vom Menschen verlangt wird, er solle „der Natur gemäß leben“ (Seneca: 'secundum naturam vivere'), dann bedeutet das, dass der Mensch sich gerade nicht in naturalistischer Weise wie ein Tier verhalten soll, sondern dazu angehalten ist, seine Lebensführung und sein Handeln an der ihm eigenen Vernunftnatur auszurichten. „Natur“ hat hier demnach keine univoke Bedeutung, sondern besagt vielmehr, dass jedes Wesen seine spezifische Natur hat, der es entsprechen muss.

Mit Blick auf die Bedeutung der physis als „Naturwirklichkeit“ stehen sich jedoch bereits in der Antike zwei verschiedene Auffassungen gegenüber: Die eine, die vor allem von Platon und Aristoteles vertreten wird, geht von einer teleologischen Sinnstruktur der Wirklichkeit aus, die vernünftigen Gesetzen gehorcht und in die sich der Mensch harmonisch einfügen kann (diese Vorstellung ist auch heute noch überall dort wirksam, wo man von „Mutter Natur“ spricht). Die andere Auffassung, die man u.a. bei Epikur und Lukrez findet, betrachtet die Natur als ein blindes, mechanistisches Konglomerat von Atomen, das dem Menschen weder positiv noch negativ gegenübersteht, sondern schlechthin indifferent ist und deshalb auch nicht gefürchtet werden muss. Eigenartigerweise führt der antike Atomismus jedoch gerade nicht zur Ausbildung einer Naturwissenschaft im neuzeitlichen Sinne, sondern zu einem Desinteresse an der Natur, da diese mit der spezifisch menschlichen Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat und den Menschen daher auch nicht zu kümmern braucht.

Im christlich geprägten Denken der Patristik und des Mittelalters wird der Begriff der „Natur“ (natura) dem der „Gnade“ (gratia) gegenübergestellt und damit auf den Bereich der Transzendenz hin geöffnet. Betrachtet die klassische griechische Philosophie den Menschen grundsätzlich als einen homogenen Bestandteil der gesamten Wirklichkeit, so versteht ihn die biblisch-christliche Weltsicht als „Bild Gottes“, das eine übernatürliche Bestimmung hat und daher im Gesamtzusammenhang der Schöpfung eine Sonderstellung genießt. Je nach Autor fällt die Bewertung der „Natur“ dabei jedoch sehr unterschiedlich aus: Augustinus betrachtet vor dem Hintergrund seiner Erbsündenlehren die menschliche Natur als vollkommen verderbt und betont daher sehr stark den Aspekt der göttlichen Gnade. Demgegenüber wird die Natur im aristotelisch-scholastischen Denken des Mittelalters (Thomas von Aquin u.a.) sehr viel positiver bewertet; gilt sie doch nun als notwendige Voraussetzung dafür, dass der Mensch sich der göttlichen Gnade öffnen und durch sie vervollkommnet werden kann.

In der Neuzeit wandelt sich die Bedeutung dieses Begriffes erneut, da die Natur nun nicht mehr als das von sich selbst her Aufgehende und organisch Entstehende gilt (natura < lat. nasci, d.h. „geboren werden“), sondern in einem mechanistischen Sinne umgedeutet wird. Descartes ist einer der wichtigsten Begründer dieser grundlegend neuen Weltsicht, der zufolge die Natur zur Gänze mit mathematisch-wissenschaftlichen Methoden erkannt und mit den Mitteln der Technik umgestaltet werden kann. In dem Moment, wo die menschliche Subjektivität als reines Denken (res cogitans) verstanden wird, das einer als „reine Ausdehnung“ (res extensa) verstandenen Körperwelt gegenübertritt, erfolgt eine Entfremdung des Menschen gegenüber der Naturwirklichkeit. Die Frage, wie der Mensch als Vernunftwesen in ethisch-gesellschaftlicher Hinsicht leben soll, kann nicht mehr unter Verweis auf die Struktur der physischen Welt, sondern nur noch durch einen Blick auf die eigene Subjektivität beantwortet werden. Pascal zieht daraus die Konsequenz eines existenziellen Rückzugs des Philosophen in die eigene Innerlichkeit, da er das Universum nur noch als kalten, blinden Mechanismus betrachten kann, der dem Menschen gleichgültig gegenübersteht. Dementsprechend postuliert er einen radikalen Bruch zwischen dem „Gott der Philosophen“, der immer in irgendeiner Weise mit der Vorstellung einer Ordnung des Kosmos verknüpft ist, und dem „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“, der sich in spezieller Weise an den Menschen wendet.

Das Seminar will anhand ausgewählter philosophischer Texte aus Antike, Mittelalter und Neuzeit der Vielschichtigkeit und Vieldeutigkeit des Naturbegriffs und seiner geschichtlichen Entwicklung nachgehen. Dabei soll deutlich werden, dass die unterschiedlichen Formen des philosophischen Naturverständnisses stets das Resultat einer bestimmten Selbstdeutung und Selbstauslegung des Menschen sind und von dieser anthropologischen Dimension grundsätzlich nicht getrennt werden können. Diese Grundtatsache soll mit Blick auf die heutige ökologische Bewegung weitergedacht werden, die einerseits berechtigte Kritik am mechanistischen Naturverständnis der neuzeitlichen Wissenschaften übt, andererseits aber Gefahr läuft, in eine mythologisierende Verklärung der Natur und eine naturalistische Fehldeutung menschlicher Subjektivität zurückzufallen.


Literaturhinweise:

Primärtexte: Eine Auswahl von Primärtexten der zu behandelnden Autoren wird zu Semesterbeginn in gescannter Form auf der Lernplattform zur Verfügung gestellt.

Sekundärliteratur:
• Georg Picht, Der Begriff der Natur und seine Geschichte, Stuttgart, Klett-Cotta, 1989.
• Michael Drieschner, Einführung in die Naturphilosophie, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1981.
• Ludger Honnefelder (Hrsg.), Natur als Gegenstand der Wissenschaften, Freiburg, Alber, 1992.
• Gernot Böhme, Natürlich Natur. Über Natur im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1992.
• Willigis Eckermann / Joachim Kuropka (Hrsg.), Der Mensch und die Natur. Wege und Perspektiven, Vechta, Vechtaer Druckerei und Verlag, 1986.
• Thomas Arzt et al. (Hrsg.), Unus Mundus. Kosmos und Sympathie. Beiträge zum Gedanken der Einheit von Mensch und Kosmos, Frankfurt a. M., Peter Lang, 1992.
• Ute Guzzoni, Über Natur. Aufzeichnungen unterwegs. Zu einem anderen Naturverständnis, Freiburg / München, Alber, 1995.
• Albert Zimmermann / Andreas Speer (Hrsg.), Mensch und Natur im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 21), Berlin, De Gruyter, 1991/1992 (2 Bd.).
• Matthias Lutz-Bachmann / Gunzelin Schmid Noerr (Hrsg.), Die Unnatürlichkeit der Natur. Über die Sozialität der Natur, Frankfurt a. M., Nexus, 1992.
• Friedrich Rapp, Naturverständnis und Naturbeherrschung, München, Fink, 1981.
• Oswald Schwemmer (Hrsg.), Über die Natur. Philosophische Beiträge zum Naturverständnis, Frankfurt a. M., Klostermann, 1987.
• Michael Heidelberger / Sigrun Thiessen, Natur und Erfahrung. Von der mittelalterlichen zur neuzeitlichen Wissenschaft, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, 1981.
• Lothar Schäfer / Elisabeth Ströker (Hrsg.), Naturauffassungen in Philosophie, Wissenschaft, Technik, Bd. I: Antike und Mittelalter, Bd. II: Renaissance und frühe Neuzeit, Freiburg / München, Herder, 1993/1994.
• Robin G. Collingwood, The Idea of Nature, London, Oxford University Press, 1960.

Anmelderegeln

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