Eine Paradoxie ist „eine scheinbar unannehmbare Schlussfolgerung, die durch einen scheinbar annehmbaren Gedankengang aus scheinbar annehmbaren Prämissen abgeleitet ist“ (Sainsbury 2010: 11-12). Besonders unannehmbare und hartnäckige Konsequenzen ergeben sich aus den mit dem Begriff des Wissens verbundenen Paradoxien, von denen zwei neuere, Fitchs Paradoxie der Wissbarkeit (knowability) und Grims Paradoxie der Allwissenheit (omniscience), im Mittelpunkt dieses Seminars stehen werden. Die Paradoxie der Wissbarkeit geht auf Frederic Fitch (1963: 139) zurück und besagt, dass unter der Annahme, dass alle Wahrheiten möglicherweise (von jemandem zu einer bestimmten Zeit) gewusst werden können, tatsächlich alle Wahrheiten (von jemandem zu einer bestimmten Zeit) gewusst werden (vgl. Brogaard/Salerno 2008: 272-273). Die von Patrick Grim (1984) entdeckte Unmöglichkeit der Allwissenheit ist eine Konsequenz aus Cantors Potenzmengenaxiom und dem damit verbundenen Beweis der Nichtexistenz einer Allmenge. In diesem Fortgeschrittenenkurs, der als Blockseminar stattfinden wird, werden wir die genannten Argumente genau analysieren, die wichtigsten Einwände und Lösungsvorschläge bedenken und uns fragen, ob die Wissensparadoxien möglicherweise mit anderen Paradoxiengruppen wie dem semantischen Lügner verwandt sind (vgl. Brendel 2001: 10).
Kenntnisse klassischer und nicht-klassischer Logiksysteme, auch der Modallogik, sind in diesem Kurs von Vorteil; gute Lesekenntnisse des Englischen sind unabdingbar.
Der genaue Seminarplan wird in der Vorbereitungssitzung vorgestellt, die am 06.11. von 16-18 Uhr in Raum A 01 0-005 stattfindet. Die Teilnahme an der Vorbereitungssitzung ist eine notwendige Bedingung für die Teilnahme am Blockseminar.
LITERATUR
Anderson, C. Anthony (1983): „The Paradox of the Knower“, in: Journal of Philosophy 80: 338-355.
Brendel, Elke (2001): „Allwissenheit und ‚offenes Philosophieren‘“, in: Erkenntnis 54: 7-16.
Brogaard, Berit/Salerno, Joe (2008): „Knowability, Possibility and Paradox“, in: Vincent F. Hendricks / Duncan Pritchard (Ed.): New Waves in Epistemology, Basingstoke: Palgrave Macmillan: 270-299.
Brogaard, Berit/Salerno, Joe (2013): „Fitch’s Paradox of Knowability“, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy (
https://plato.stanford.edu/entries/fitch-paradox/).
Fitch, Frederic (1963): „A Logical Analysis of Some Value Concepts“, in: Journal of Symbolic Logic 28: 135-142.
Grim, Patrick (1984): „There is No Set of All Truths“, in: Analysis 44: 206-208.
Grim, Patrick (forthcoming): „Problems with Omniscience“: PDF on Grim’s personal website: 1–20. Accessed April 24, 2017.
http://www.pgrim.org/articles/omniscience9.pdf.Jenkins, C.S. (2009): „The Mystery of the Disappearing Diamond“, in: Joe Salerno (Ed.): New Essays on the Knowability Paradox, Oxford U.P.: 302-319.
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Kvanvig, Jonathan L. (2009): „Restriction Strategies for Knowability: Some Lessons in False Hope“, in: Joe Salerno (Ed.): New Essays on the Knowability Paradox, Oxford U.P.: 205-222.
Lembke, Martin (2012): „Grim, Omniscience, and Cantor’s Theorem“, in: Forum Philosophicum 17.2: 211-223.
Sainsbury, R. M. (2010): Paradoxien, aus dem Englischen übersetzt von Vincent C. Müller und Volker Ellerbeck, 4., durchgesehene und erweiterte Auflage, Stuttgart: Reclam.
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Sander, Thorsten (2009): „Radikal epistemische Wahrheitsbegriffe“, in: G. Kamp / F. Thiele (Ed.): Er¬kennen und Handeln, Paderborn (Fink): 75-96.
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Sorensen, Roy (2011): „Epistemic Paradoxes“, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy (
https://plato.stanford.edu/entries/epistemic-paradoxes/#KnoPar).