Blaise Pascal: Menschenbild, Ethik und Religion in den „Pensées“ und Essays Wer die philosophischen Grundlinien im Werk von Blaise Pascal (1623-1662) kennen lernen und entdecken möchte, ist hier goldrichtig. Kaum ein anderer Denker als Pascal hatte im 17. Jahrhundert – dem Zeitalter des Nominalismus und der Religionskriege in Europa – die theoretischen und praktischen Seiten der Philosophie miteinander vereint. Zu befragen sind einige Essays und Fragmente nach der besonderen Konstruktion des Zusammenspiels von Verstand und Herz, um Pascals Synthese wissenschaftlichen Denkens und philosophischen Glaubens als Grundlage menschlicher Erkenntnis nachzuvollziehen. Dabei ist Pascals philosophisch-literarischer Stil einzigartig, indem energetische Schnellkraft des Denkens, aphoristische Prägnanz und lakonische Pointierung am engen Horizont anschaulich-sparsamen Wortmaterials zusammentreffen und so die Tiefenwirkungen seiner auch paradoxen Ideen- und Wortkontraste widerspiegeln. Entlang der Lektüre philosophiehistorischer, wissenschaftstheoretischer, ethischer und religionsphilosophischer Schriften – besonders der „Pensées“ – wird die Bedeutung des Gewissheitsorgan des Herzens als vorrationales und vorwillentliches Persönlichkeitszentrum mit dessen Nähe zu den Gehalten transzendenter Ordnung zur Daseinsfürsorge des Menschen fokussiert (u. a.: Wette mit Gott). Es wird danach gefragt, auf welche Weise Pascals Anthropologie mit der augustinischen Gnadenlehre korrespondiert, wie sich die krisenhafte Bekehrung zum Christentum im Kontext der Auseinandersetzung mit dem Jansenismus von Port Royal auch als ideelles Bekenntnis zu Montaignes Skepsis und Epiktets stoischer Ethik entwickelte. Zur Vorbereitung sei die Anschaffung und Lektüre der „Pensées“ mit dem Kommentar von Eduard Zwierlein (Suhrkamp-Ausgabe) und die Meiner-Edition der „Kleinen Schriften“ (s. Bibliographie) empfohlen. Aus zeithistorischer Perspektive eignet sich als thematischer Einstieg die Lektüre des biographischen Essays von Pascals Schwester Gilberte (s. Bibliographie). In den letzten Sitzungen des Seminars sollen einige Deutungsansätze zu Pascals Philosophie herangezogen werden, die dessen naturwissenschaftliche Anschauung und Prädestinationslehre betreffen. Verpflichtend zur Vorbereitung der ersten Sitzung ist die Lektüre des Essays über Montaigne und Epiktet. Ansonsten sind keine besonderen Vorkenntnisse erforderlich. Primärliteratur: Blaise Pascal: Oeuvres complètes. Texte établie et annoté par Jaques Chevallier. Paris: Librairie Gallimard 1954 (Bibliothèque de la Pléiade). Ders.: Gedanken [ab ca. 1658/70] Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann. Kommentar von Eduard Zwierlein. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 2012. Ders.: Über die Religion und über einige andere Gegenstände (Pensées). Übertragen und herausgegeben von Ewald Wachsmuth. Heidelberg: Verlag Lambert Schneider 1978. Ders.: Vermächtnis eines großen Herzens. Die kleineren Schriften. Überragen von Wolfgang Rüttenauer. Leipzig: Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung 1938. Gilberte Pascal: Das Leben Monsieur Pascals beschrieben von Madame Périer seiner Schwester, der Frau von Monsieur Périer, dem Rat am Steueramt von Clermont. In: Blaise Pascal: Kleine Schriften zur Religion und Philosophie. Übersetzt von Ulrich Kunzmann. Mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Albert Raffelt. Hamburg: Felix Meiner Verlag 2005, S. 3-57. Ders.: Betrachtungen über die Geometrie im Allgemeinen – Vom geometrischen Geist – Von der Kunst zu überzeugen [1655]. In: Ebd., S. 69-108. Ders.: Gespräch des Herrn de Sacy über Epiktet und Montaigne [1655]. In: Ebd., S. 111-147. Ders.: Gebet zu Gott um den rechten Gebrauch der Krankheiten [1660]. In: Ebd., S. 351-364. Forschungsliteratur: Jean-Robert Armogathe: Einführung [1986]. In: Pascal: Gedanken über die Religion und einige andere Themen. Herausgegeben von Jean-Robert Armogathe. Aus dem Französischen übersetzt von Ulrich Kunzmann. Stuttgart: Philipp Reclam Jun. 2012, S. 7-32. Franz Borkenau: Zur Soziologie des mechanistischen Weltbildes. In: Zeitschrift für Sozialforschung. Herausgegeben vom Institut für Sozialforschung Frankfurt/Main, Jg. 1, 1932, S. 311-335. Wilhelm Schmidt-Biggemann: Blaise Pascal. München: C. H. Beck Verlag 1999. Hugo Friedrich: Pascals Paradox: Das Sprachbild einer Denkform [1936]. In: Ders.: Romanische Literaturen I./II. Frankfurt/Main: Vittorio Klostermann Verlag 1972, S. 84-138. Ders.: Pascal [1950]. In: Ebd., S. 139-158. Lucien Goldmann: Weltflucht und Politik. Dialektische Studien zu Pascal und Racine [1959]. Übersetzt von Alexander von Platen. Neuwied, Berlin: Hermann Luchterhand Verlag 1967. Romano Guardini: Christliches Bewußtsein. Versuche über Pascal. Leipzig: Hegner Verlag 1935 (vorliegend auch in Neueditionen). Manfred Heeß: Blaise Pascal. Wissenschaftliches Denken und christlicher Glaube. München: Wilhelm Fink Verlag 1977. Zeitplan: 03. 04. 2018: Einführung, Gespräch des Herrn de Sacy über Epiktet und Montaigne 10. 04. 2018: Epiktet und Montaigne 17. 04. 2018: Betrachtungen über die Geometrie im Allgemeinen 24. 04. 2018: Betrachtungen über die Geometrie im Allgemeinen 01. 05. 2018: Internationaler Tag der Arbeit 08. 05. 2018: Gebet zu Gott um den rechten Gebrauch der Krankheiten 15. 05. 2018: Pensées 22. 05. 2018: Pensées 29. 05. 2018: Pensées 05. 06. 2018: Pensées 12. 06. 2018: Pensées 19. 06. 2018: Pensées 26. 06. 2018: Hugo Friedrich: Pascals Paradox 03. 07. 2018: Romano Guardini: Christliches Bewußtsein, Abschlussbesprechung
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