Seminar: 4.03.224 "Sich tot machen, um zu überleben": Kapitalismus und Freiheit - Details

Seminar: 4.03.224 "Sich tot machen, um zu überleben": Kapitalismus und Freiheit - Details

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General information

Course name Seminar: 4.03.224 "Sich tot machen, um zu überleben": Kapitalismus und Freiheit
Subtitle
Course number 4.03.224
Semester WiSe15/16
Current number of participants 13
Home institute Institute of Philosophy
Courses type Seminar in category Teaching
First date Friday, 16.10.2015 16:00 - 18:00, Room: A06 1-106
Type/Form Seminar
Participants Die Veranstaltung richtet sich an Studierende im 3. bis 5. Fachsemester (Phase der Bacheloraufbaumodule).
Learning organisation Lektürekurs
Performance record gemäß Modulbeschreibung
Lehrsprache deutsch

Rooms and times

A06 1-111
Friday: 16:00 - 18:00, weekly (12x)
A06 1-106
Friday: 16:00 - 18:00, weekly (2x)

Fields of study

Module assignments

Comment/Description

„Ihr Unglücklichen, wollt Ihr wohl glücklich sein!“ (Strindberg, Das rote Zimmer)
„Der Knecht singt gern ein Freiheitslied /
Des Abends in der Schenke“ (Heine, An einen politischen Dichter)

Der Mensch kommt auf die Welt und will leben, sich den Aufenthalt nett machen. Dazu braucht er Mittel: Lebensmittel. Um die herzustellen benötigt er wieder Mittel: Produktionsmittel. Wohlwollend geschätzte 95 Prozent der Menschheit nun muss feststellen: sie haben weder das Eine noch das Andere. Sie sind mittellos, aller Mittel enteignet. Sie, die leben wollen, sind geschieden von den Mitteln zum Leben, die zwar massenhaft vorhanden und in Fenstern zur Schau gestellt sind, ihnen aber nicht gehören. Um an sie ranzukommen (und leben zu können) braucht man Geld. Wieder darf die übergroße Mehrheit der Menschheit feststellen: Geld, d. h. das Mittel um an Lebensmittel ran zu kommen, ist diesen Menschen nicht mit der Geburt in die Wiege gelegt. Sie sind blank, sind have-nots. Der Mensch, der einfach leben will, findet Lebensbedingungen vor, die gegen das Leben stehen. Lebensaufgabe Nr. 1 wird nun gezwungenermaßen: an Geld rankommen. Wie geht das bei uns, wenn man gänzlich frei ist, frei von Mitteln? Bekanntlich geht man arbeiten. Man trägt seine Haut – oder, im Neusprech: sein Profil – auf den praktisch dafür eingerichteten Markt: den Arbeitsmarkt, und bietet seine Arbeitskraft zum Verkauf an. Wie es in der deutschen Sprache so schön heißt: man verdingt sich, macht sich zum Ding. Wer kauft die angebotene Arbeitskraft? Der, der sie brauchen und dafür zahlen kann (das wären die haves: die Handvoll Prozent der Menschheit von Geld- und Produktionsmittelbesitzern). Unter welcher Bedingung wird die Arbeitskraft gekauft? Unter der alleinigen Bedingung, dass sich Gewinn aus ihr schlagen lässt, sie dem Käufer also mehr Geld einbringt als sie ihn kostet. So darf das Gros der Menschheit sein Leben nur unter der Bedingung fristen, d. h. überhaupt nur existieren, wenn es sich für die geldbesitzende Klasse nützlich macht, d. h. den Reichtum der Reichen vermehrt. Es (das Gros der Menschheit) darf auch irgendwo auf der Welt überhaupt nur sein, Platz nehmen, nämlich wohnen, wenn es an den Hauseigentümer einen Tribut (Miete) entrichtet. Ohne Tributzahlung kein Obdach.
Oder aber die mittellosen Geldsuchenden finden keinen Geldbesitzer ("Unternehmer"), der ihre feilgebotene Arbeitskraft kauft. In den meisten Teilen dieser Erde bedeutet das: ohne Lohnarbeit kein Geld, ohne Geld keine Lebensmittel. Ohne Lebensmittel Hungertod. In anderen Teilen der Erde wird der Arbeitslose staatlicherseits alimentiert (knapp vor dem Hungertod bewahrt) und auf Reserve gehalten (was interessanterweise Wohlfahrtsstaat heißt).
So oder so, mit oder ohne Lohnarbeit, bleiben die Eigentumslosen lebenslang arm. Absolut und relativ. Absolut: das verdiente Geld reicht vorne und hinten nicht um seine Bedürfnisse zu befriedigen ("Entbehren sollst du! Sollst entbehren!
 Das ist der ewige Gesang" – Goethe, Faust). Relativ: die Armut der Arbeitenden ist Grundlage und Resultat des von ihnen geschaffenen Reichtums, den sie nur für andere schaffen, und von dem sie eben deshalb auch nie was abbekommen: Die Wenigen sind reich, weil die Vielen arm sind. ("Though this be madness, yet there is method in 't" – Shakespeare, Hamlet.)
Die kapitalistische Weltlage in den Worten des aktuellen Stellvertreters Gottes auf Erden:
"Ebenso wie das Gebot „du sollst nicht töten“ eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“ sagen. Diese Wirtschaft tötet. Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während eine Baisse um zwei Punkte in der Börse Schlagzeilen macht. Das ist Ausschließung. Es ist nicht mehr zu tolerieren, dass Nahrungsmittel weggeworfen werden, während es Menschen gibt, die Hunger leiden. Das ist soziale Ungleichheit. Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht. Als Folge dieser Situation sehen sich große Massen der Bevölkerung ausgeschlossen und an den Rand gedrängt: ohne Arbeit, ohne Aussichten, ohne Ausweg. Der Mensch an sich wird wie ein Konsumgut betrachtet, das man gebrauchen und dann wegwerfen kann. (...) Es geht nicht mehr einfach um das Phänomen der Ausbeutung und der Unterdrückung, sondern um etwas Neues: Mit der Ausschließung ist die Zugehörigkeit zu der Gesellschaft, in der man lebt, an ihrer Wurzel getroffen, denn durch sie befindet man sich nicht in der Unterschicht, am Rande oder gehört zu den Machtlosen, sondern man steht draußen. Die Ausgeschlossenen sind nicht „Ausgebeutete“, sondern Müll, „Abfall“." (Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium des heiligen Vaters Papst Franziskus vom 24.11.2013)
Ein nichtgeistlicher hoher UN-Funktionär beschreibt die weltliche (Un-)Ordnung in nicht minder drastischen Worten:
"Über zwei Milliarden Menschen leben in „absoluter Armut“, wie es das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) nennt: ohne feste Einkünfte, ohne regelmäßige Arbeit, ohne angemessene Behausung, ohne medizinische Versorgung, ohne ausreichende Ernährung, ohne Zugang zu sauberem Wasser, ohne Schule. (...) Tag für Tag sterben auf unserem Planeten ungefähr 100 000 Menschen an Hunger oder an den unmittelbaren Folgen des Hungers. (...) Jahr für Jahr bringen Hunderte von Millionen schwer unterernährter Mütter Hunderte von Millionen unheilbar geschädigter Säuglinge zur Welt. (...) Die Zerstörung von Millionen Menschen durch Hunger vollzieht sich täglich in einer Art von eisiger Normalität – und auf einem Planeten, der von Reichtümern überquillt. (...) Wie kann es sein, dass auf einem mit Reichtümern gesegneten Planeten Jahr für Jahr Hunderte Millionen von Menschen Opfer von äußerster Armut, gewaltsamem Tod und Verzweiflung werden? (...) Die Gleichung ist einfach: Wer Geld hat, isst und lebt. Wer keines hat, leidet und wird invalide oder stirbt.“ (Jean Ziegler: Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher)

Ja, wie kann es sein? Das soll in dem Seminar beantwortet werden.

Seminarlektüre (bitte besorgen):
  • Hermann Lueer: Warum verhungern täglich 100.000 Menschen?, Münster 2007.

Weiterführende Literatur:
  • Michael Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung, Stuttgart 2005.
  • Hermann Lueer: Kapitalismuskritik und die Frage nach der Alternative, Münster 2013.
  • Margaret Wirth / Wolfgang Möhl: Arbeit und Reichtum, München 2014.

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