Seminar: 4.03.2209 Walter Benjamin: Sprache, Gewalt, Kunst, Geschichte - Details

Seminar: 4.03.2209 Walter Benjamin: Sprache, Gewalt, Kunst, Geschichte - Details

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Allgemeine Informationen

Veranstaltungsname Seminar: 4.03.2209 Walter Benjamin: Sprache, Gewalt, Kunst, Geschichte
Untertitel
Veranstaltungsnummer 4.03.2209
Semester SoSe2023
Aktuelle Anzahl der Teilnehmenden 40
erwartete Teilnehmendenanzahl 40
Heimat-Einrichtung Institut für Philosophie
Veranstaltungstyp Seminar in der Kategorie Lehre
Erster Termin Montag, 17.04.2023 16:15 - 17:45, Ort: A06 0-001
Art/Form Seminar
Lehrsprache --

Räume und Zeiten

A06 0-001
Montag: 16:15 - 17:45, wöchentlich (11x)

Modulzuordnungen

Kommentar/Beschreibung

Metaphysik, Marxismus und Messianismus: Verlaufen die drei Linien in Benjamins Werk getrennt, oder bilden sie eine Einheit? Und falls ja, wie und wo konvergieren die Grundrichtungen von Benjamins Denken, um das Tertium datur als vernünftiges Ar-beitsinstrument und geistige Waffe zu schärfen, die strategisch im Klassenkampf be-stehen kann, ohne dass damit je verknüpfte sprachlich-stilistische, ästhetische, dialek-tisch-historische, fortschrittskritische, pädagogische, messianische und politische Am-bitionen voneinander abzuspalten oder isoliert preiszugeben wären?!
Welche Rolle kommt der Sprache zu? Für Benjamin hängt die Interpretation des Bau-mes der Erkenntnis und des Sündenfalls im Schöpfungsbericht mit der Theorie der göttlichen Sprache und adamitischen Ursprache eng zusammen, denn in der Gegen-überstellung ergibt sich das Problem der Arbitrarität und Nicht-Arbitrarität der Spra-chelemente des richtenden Gotteswortes und äußerlichen Menschenwortes, worin sich die Abstraktion der Sprache und deren verdingliche Verknechtung ausdrücken, die in der babylonischen Sprachverwirrung gipfeln und so das Problem der profanen Erfül-lung der Mitteilungsfunktion der Sprache stellen, die jedoch zugleich viel mehr als ein bloßes Verständigungsmittel ist, sondern das geistige Wesen des Menschen ausmacht. Dass sich im alttestamentlich-poetischen Gedankenraum und Benjamins Interpretation sprachtheologischer Topoi zentrale Fragestellungen herausbildeten und Antworthori-zonte auf spätere Schriften gegeben sind, soll als durchwaltende Gestaltungskraft er-kannt und anhand terminologisch veränderter Reformulierung zentraler Theoreme des frühen Aufsatzes bewusst gemacht werden. Das heißt, dass menschliche Sprache den Vorgang der Translatio studii als Übersetzung und Verlagerung von Wissenstransfers vergangener Zeiten oder verblühter Orte und Landschaften in die „Jetztzeit“ leistet, wodurch zugleich kulturelle Anschlüsse an die Tradition wie auch Brüche und Verän-derungen jeweiliger Gegenstände sichtbar werden.
Daher besteht das Ziel des Seminars auch darin, verschiedene Sujets Benjamins (Fragment, Aphorismus, systematischer Essay) vorzustellen, die als Entgegnung auf die Krise des bürgerlichen Bewusstseins (1914), die Integration und Revision des Marxismus oder die gefühlte Stillstellung der Dialektik im Zeitalter von Nationalsozia-lismus und Stalinismus (1933) entstanden waren. Entlang philosophisch-literarischer Verschachtelungen als Typus dichterischen Denkens, worin sich Unsichtbares und Verborgenes versinnbildlicht, geht es darum, Benjamins ideengeschichtliche Determi-nanten freizulegen und seine Wendung zum dialektischen Materialismus zu verdeutli-chen. Kurzum: Stilistische Arbeit am Begriff und dessen jeweils historisch-semantische Aufschlüsselung auch experimenteller und utopischer Aspekte sollen dazu beitragen, die spezifische Schreibweise und Methodologie Benjamins nachvollziehbar zu machen und mittels ihrer Bilder, Metaphern und Konstruktionen sich bewusst zu werden, dass sie in einem unmittelbaren Erfahrungszusammenhang eigener Proletari-sierung als Lohnschreiber stehen. Seine Auffassungen, speziell den Marxismus betref-fend, liefen nicht nur Th. W. Adorno zuwider, sondern sie stimmten gleichfalls mit der Politik des von M. Horkheimer geleiteten Instituts für Sozialforschung nicht überein. Zu besprechen ist ferner die weiterführende Frage, inwieweit Benjamins Sprach- und Gewaltkritik sich überlappen, sein Neapel-Erlebnis des Jahres 1924 mit der lettischen Theaterregisseurin Asja Lacis eine kommunistisch inspirierte Arbeitsphase biogra-phisch einleitete und mitbewirkte, dass nach Benjamin mimetische Reproduktionstech-nologien und bürgerliche Kultur und Kunst als Stabilisatoren kapitalistischer Warenäs-thetik bestimmenden Einfluss auf das angeblich schon befreite Subjekt nehmen.
Voraussetzungen, Organisation, Perspektiven: Erwartet wird die aktive Bereitschaft, in die fruchtvolle Feige des physiognomisch-monadologisch-materialistischen Denkens zu beißen, worin sich nicht nur verzehrender Genuss, sondern auch die Entfremdung innerhalb vorgefundener Produktions- und Verwertungsbedingungen als Naturver-hältnis widerspiegeln. Kontinuierliche Lektüre und rege Diskussionsteilnahme werden belohnt durch Einsichten, die das eigne Leben verändern können.
Empfohlen wird, sich folgende Taschenbuchausgaben der Schriften anzuschaffen, die viele der zu studierenden Texte enthalten: Walter Benjamin: Illuminationen. Ausge-wählte Schriften 1. Ausgewählt von Siegfried Unseld. Frankfurt Main: Suhrkamp Verlag 1977; Ders.: Angelus Novus. Ausgewählte Schriften 2. Frankfurt/Main: Suhr-kamp Verlag 1988; Ders.: Ein Lesebuch. Herausgegeben von Michael Opitz. Frank-furt/Main 1996. Ansonsten wird nach der Ausgabe „Gesammelte Schriften“ zitiert, die genauso wie die Schriften 1 und 2, das Lesebuch und viele Einzeltitel über ZVAB (Zentrales Verzeichnis antiquarischer Bücher) gut und günstig zu erreichen sind. Im Semesterverlauf wird ein Handapparat in der UB zur Verfügung gestellt.
Zum Einstieg in die erste Sitzung sei auf folgende Texte hingewiesen (s. Bibliogra-phie): „Das Leben der Studenten“; „Der destruktive Charakter“; „Ausgraben und Erin-nern“.
Primärschriften:
Benjamin, Walter: Das Leben der Studenten [1914]. In: Ders.: Gesammelte Schriften. Unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem herausgegeben von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser. Bd. II., 1. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1980, S. 75-87.
– Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen [1916]. In: Ders., Bd. II., 1, S. 140-157.
– Zur Kritik der Gewalt [1921]. In: Ders.: Bd. II, I, S. 179-203.
– Kapitalismus und Religion [1921]. In: Ders.: Bd. VI., S. 100-103.
– Neapel [mit Asja Lacis, 1924]. In: Ders.: Bd. IV, 1, S. 307-316.
– Einbahnstraße [1924/28]. In: Ders.: Bd. IV., 1, S. 83-148.
– Frische Feigen [1930]. In: Ders.: Bd. IV., 1, S. 374 f
– Theorien des deutschen Faschismus [1930]. In: Ders.: Bd. III., 1, S. 238-250.
– Ausgraben und Erinnern [1932]. In: Ders.: Bd. IV., 1, S. 400 f.
– Der destruktive Charakter [1933]. In: Ders.: Bd. IV., 1, S. 396-398.
– Die Lehre vom Ähnlichen [1933]. In: Ders.: Bd. II., 1, S. 204-210.
– Über das mimetische Vermögen [1933]. In: Ders.: Bd. II., 1, S. 210-213.
– Erfahrung und Armut [1933]. In: Ders.: Bd. II., 1, S. 213-219.
– Der Autor als Produzent [1934]. In: Ders.: Bd. II., 2, S. 683-701.
– Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit [1935]. In: Ders.: Bd. I., 2. S. 431-469.
– Über den Begriff der Geschichte [1940]. In: Ders.: Bd. I., 2, S. 691-704.
Forschungsliteratur:
Demirovic, Alexander: Der nonkonformistische Intellektuelle. Die Entwicklung der Kritischen Theorie zur Frankfurter Schule. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1999.
Habermas: Jürgen: Rettende und bewusstmachende Kritik – die Aktualität Walter Ben-jamins. In: Zur Aktualität Walter Benjamins. Aus Anlaß des 80. Geburtstages von Walter Benjamin herausgegeben von Siegfried Unseld. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1972, S. 173-223.
Holz, Hans Heinz: Prismatisches Denken [1956]. In: Über Walter Benjamin. Frank-furt/Main: Suhrkamp Verlag 1968, S. 62-110
Lindner, Burckhardt (Hrsg.): Benjamin-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stutt-gart, Weimar: Verlag J. B. Metzler 2006.
Marcuse, Herbert: Revolution und Kritik der Gewalt [1964]. In: Materialien zu Benja-mins Thesen ‚Über den Begriff der Geschichte‘. Beiträge und Interpretationen. Her-ausgegeben von Peter Bulthaup. Frankfurt/Main 1975, S. 23-27.
Menninghaus, Winfried: Walter Benjamins Theorie der Sprachmagie. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1980.
Mayer, Hans: Der Zeitgenosse Walter Benjamin. Frankfurt/Main: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 1992.
Palmier, Jean-Michel: Walter Benjamin. Lumpensammler, Engel und bucklicht Männ-lein. Ästhetik und Politik bei Walter Benjamin [2006]. Herausgegeben und mit einem Vorwort von Florent Perrier. Aus dem Französischen von Horst Brühmann. Frank-furt/Main 2009.
Salzinger, Helmut: Swinging Benjamin. Erweiterte Neuausgabe. Mit einem Nachwort von Klaus Modick. Hamburg: Kellner Verlag 1990.
Vialon, Martin: Neuere Benjamin-Lesarten und ihre Kritik. In: Jahrbuch der Internatio-nalen Georg Lukács-Gesellschaft. Herausgegeben von Frank Benseler und Werner Jung, Jg. 10./11., 2006/07, Bielefeld: Aisthesis Verlag 2007, S. 83-103.
– Warum Walter Benjamins Moskaus-Pläne scheiterten. In: Christine Blätt-ler/Christian Voller (Hrsg.): Walter Benjamin. Politisches Denken. Baden-Baden: No-mos Verlagsgesellschaft 2016, S. 277-301.
Terminplanung:
17. 04. 2023 Einführung; Das Leben der Studenten (1914/15); Der destruktive Cha-rakter (1931); Ausgraben und Erinnern (1932)
24. 04. 2023 Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen (1916)
01. 05. 2023 Zur Kritik der Gewalt (1921)
08. 05. 2023 Zur Kritik der Gewalt; Kapitalismus als Religion (1921)
15. 05. 2023 Neapel (mit Asja Lacis, 1924); Einbahnstraße (1928); Frische Feigen (1930)
22. 05. 2023 Theorien des deutschen Faschismus (1930)
29. 05. 2023 Pfingstmontag
05. 06. 2023 Erfahrung und Armut (1933); Lehre vom Ähnlichen (1933)
12. 06. 2023 Über das mimetische Vermögen (1933); Der Autor als Produzent (1934)
19. 06. 2023 Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1935)
26. 06. 2023 Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit
03. 07. 2023 Über den Begriff der Geschichte (1940)
10. 07. 2023 Über den Begriff der Geschichte, Abschlussgespräch

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