Topic: Meinungsbildung in LLM-Multiagentennetzwerken – Sentimentanalyse und soziale Einflussmodelle im Kontext der Energiewende

Topic: Meinungsbildung in LLM-Multiagentennetzwerken – Sentimentanalyse und soziale Einflussmodelle im Kontext der Energiewende

Personal details

Title Meinungsbildung in LLM-Multiagentennetzwerken – Sentimentanalyse und soziale Einflussmodelle im Kontext der Energiewende
Description

Die Energiewende und der Klimawandel stellen komplexe gesellschaftliche Herausforderungen dar, deren Bewältigung maßgeblich von der Anpassung des Verbrauchsverhaltens in Energiesystemen und der Implementierung nachhaltiger Energiekonzepte abhängt.

Verhaltensänderungen erfolgen jedoch nicht isoliert, sondern sind durch kognitive Prozesse sowie die Interaktion in sozialen Netzwerken und systemische Einflussfaktoren geprägt. Einstellungen, soziale Normen und das Verhalten einzelner Akteure spielen eine entscheidende Rolle bei der Meinungsbildung, Entscheidungsprozessen und Anpassung individueller Konsummuster.

Die Untersuchung der Dynamik dieser Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse findet bislang weitgehend empirisch statt und gestaltet sich sehr aufwändig. Ansätze für computergestützte Methoden zur Analyse und Modellierung menschlichen Verhaltens und sozialer Systeme („Computational Social Sciences“) erscheinen daher besonders attraktiv. Während multiagentenbasierte Simulationen oder psychologische Entscheidungsmodelle bekannt sind, ist der Einsatz moderner KI-Systeme noch weitgehend unerforscht. Letzterer scheint jedoch aufgrund des technologischen Fortschritts der letzten Jahre sowie aufgrund jüngerer Beobachtungen und Forschungsergebnissen zur dynamischen Anpassung des Alignments von Large Language Modellen (LLM) während der Interaktion mit Nutzenden sehr reizvoll.

Bereits im Jahr 2017 und damit technologisch nur sehr eingeschränkt auf moderne LLM übertragbar, machte Microsofts Chatbot Tay international Schlagzeilen, weil er sich im öffentlichen Training radikalisierte und vom Netz genommen werden musste. Jüngere Untersuchungen zum Argumentationsverhalten moderner KI-gestützter Sprachmodelle mit "Chain-of-Thought-Prozessen" weisen ebenfalls interessante Phänomene auf, die auch bei menschlichen Denk- und Entscheidungsmechanismen bekannt sind. In Experimenten zur Echokammerbildung ("Echo Chambers") in simulierten sozialen Netzwerken zeigen LLM-Agenten eine Tendenz zur Meinungsradikalisierung oder Polarisierung. Ein weiteres Phänomen ist, dass diese Modelle in der Lage sind, kontextabhängig Strategien zu entwickeln, die den angestrebten Zielen dienlich sind – selbst wenn dies eine bewusste Verzerrung von Informationen umfasst ("In-Context Scheming"). Oder etwa, dass Modelle bewusst vorgeben, bestimmte Ansichten zu verändern, um vorgegebene Ziele zu erreichen, dabei aber an ihren gegenteiligen Trainingszielen festhalten ("Alignment Faking"). Ähnlich überraschend ist, dass jüngst beobachtet wurde, dass ein enges Finetuning auf spezifischen Aufgaben paradoxerweise dazu führen kann, dass ein Modell in anderen, nicht verwandten Kontexten schädliche oder fehlangepasste Verhaltensweisen zeigt („Emergent Misalignment“).

Auch wenn die Übertragbarkeit dieser Beispiele auf menschliche Verhaltensweisen nicht direkt oder nur sehr eingeschränkt möglich ist, ergeben sich hieraus dennoch faszinierende Perspektiven zur gezielten Provokation und Reproduktion bekannten sozialen Verhaltens. Bei Erfolg ließe sich in nachgelagerten Experimenten untersuchen, wie bekannte oder neue Mechanismen die Dynamiken der Meinungsbildung beeinflussen.

Methodischer Ansatz

Moderne Multiagentensysteme, die auf leistungsstarken Large Language Models (LLMs) basieren, bieten einen innovativen Ansatz zur Simulation und Analyse dieser komplexen Prozesse und Dynamiken. In einem solchen System agieren spezialisierte KI-Agenten in einem kontinuierlichen, interaktiven Dialog, wobei sie unterschiedliche Perspektiven und fachliche Expertisen repräsentieren. Durch den wechselseitigen Austausch und die iterative Verarbeitung von Informationen können sie kollektive Entscheidungsprozesse modellieren, die der realen Meinungsbildung ("Opinion Dynamics") in sozialen Netzwerken und politischen Diskursen ähneln. Dies ist insbesondere für die Analyse von Einflussmechanismen und emotionalen Stimmungsdynamiken im Kontext der Energiewende relevant, da hier divergierende Standpunkte, sozioökonomische Faktoren und individuelle Präferenzen eine entscheidende Rolle spielen.

Home institution Department of Computing Science
Associated institutions
  • Department of Social Sciences
Type of work practical / application-focused
Type of thesis Master's degree
Author Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff
Status available
Problem statement

In dieser Masterarbeit sollen LLM-Agenten in spezifischen Rollen miteinander interagieren und sich zu Aspekten der Verhaltensanpassung in Energiesystemen austauschen. Dabei werden folgende analytische Schwerpunkte berücksichtigt:

  • Heterogenität der Akteure: Die Agenten repräsentieren divergierende Perspektiven auf die Energiewende und den Klimawandel, wodurch unterschiedliche ideologische, wirtschaftliche und ökologische Standpunkte modelliert werden.
  • Demografische und sozioökonomische Variabilität: Unterschiedliche demografische Gruppen und gesellschaftliche Voraussetzungen sollen berücksichtigt werden, um realistische Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse zu erfassen.
  • Analyse emotionaler und diskursiver Dynamiken: Mittels Sentimentanalyse werden affektive Komponenten der Interaktionen extrahiert und hinsichtlich ihrer Einflussfaktoren untersucht.

Die experimentelle Variation der Netzwerkparameter erfolgt unter Berücksichtigung etablierter sozialer Einflussmodelle (s. Literaturliste). Diese Modelle unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Mechanismen zur Meinungsbildung und Interaktion. Einige Modelle basieren auf iterativen Mittelwertbildungen zur schrittweisen Annäherung an Gruppenkonsens, während andere externe Einflussgrößen als dynamische Anpassungsfaktoren integrieren. Zudem gibt es Modelle, die individuelle Überzeugungen als teilweise stabil betrachten, sodass soziale Interaktion diese nur begrenzt verändert.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, diese Modelle in LLM-Multiagentennetzwerken nachzubilden und systematisch zu erfassen, inwiefern soziale Rollen, ideologische Orientierung und demografische Faktoren das Kommunikationsverhalten sowie die daraus resultierenden Stimmungsdynamiken innerhalb des LLM-Multiagentennetzwerks beeinflussen.

Die Masterarbeit adressiert folgende zentrale Fragestellungen:

  • Welche Mechanismen der sozialen Beeinflussung lassen sich in einem LLM-Multiagentensystem nachbilden, um Entscheidungs- und Meinungsbildungsprozesse im Kontext der Energiewende realistisch zu modellieren?
  • Inwiefern beeinflussen demografische Faktoren, soziale Gruppenzugehörigkeit und individuelle Überzeugungen die Kommunikationsstruktur und Diskursverläufe innerhalb des Netzwerks?
  • Welche Korrelationen bestehen zwischen der emotionalen Stimmungslage der Agenten und deren Meinungsdynamiken im Austausch über energiepolitische Fragestellungen?

Zur Beantwortung dieser Fragen könnte die methodische Umsetzung folgende Schritte umfassen:

  • Literaturstudie:
    • Untersuchung bestehender Arbeiten zu Multiagentensystemen, LLM-Technologien und sozialer Einflussnahme in diskursiven Netzwerken.
    • Analyse empirischer Forschungsarbeiten zur Energiewende, sozialpsychologischen Einflussmodellen und politischer Meinungsbildung.
  • Entwicklung des Multiagentennetzwerks:
    • Modellierung eines LLM-basierten Multiagentensystems mit diversifizierten Rollenprofilen/Personas.
    • Dynamische Persona-Entwicklung/Profilierung.
    • Implementierung einer modularen Architektur zur Berücksichtigung verschiedener Interaktionsmodelle und (dynamischer) Netzwerkstrukturen.
    • Integration einer textbasierten Sentimentanalyse zur Erfassung affektiver und linguistischer Merkmale der Interaktionen.
    • Parametrisierung von Agentencharakteristiken zur differenzierten Simulation von sozialem Einfluss und individueller Meinungsbildung.
  • Experimentelle Variationen und Analyse:
    • Systematische Manipulation der Netzwerkstruktur, um den Einfluss sozialer Gruppendynamiken auf die Meinungsbildung zu untersuchen.
    • Anwendung und Vergleich verschiedener sozialer Einflussmodelle zur Untersuchung interpersoneller Beeinflussungsprozesse.
    • Quantitative und qualitative Analyse der diskursiven Entwicklungen, insbesondere der Stimmungsdynamiken und semantischen Kohärenz der Debatten.
  • Dokumentation und wissenschaftliche Reflexion:
    • Detaillierte Darstellung der experimentellen Ergebnisse und Ableitung übertragbarer Erkenntnisse für reale soziale Netzwerke.
    • Diskussion der Implikationen für die Entwicklung KI-gestützter Kommunikationsmodelle im energiepolitischen Kontext.

 

Weiterführende Literatur und Ressourcen:

Dynamic Personas mit LLM

Radikalisierung von Chatbots

Misalignment bei LLMs

LLM-Multiagentensysteme:

Automatisierte Sentimentanalyse:

Soziale Einflussmodelle in Opinion Dynamics:

Requirement

Technische Kompetenzen:

  • Fundierte Kenntnisse in Künstlicher Intelligenz, insbesondere in NLP, Multiagentensystemen und sozialer Netzwerkanalyse.
  • Erfahrung in der Programmierung mit Python und einschlägigen Bibliotheken (z. B. TensorFlow, PyTorch, spaCy, Transformers).
  • Kenntnisse in quantitativer Datenanalyse und Visualisierung (z. B. Pandas, Matplotlib, Seaborn).

Analytische und wissenschaftliche Fähigkeiten:

  • Selbstständige und strukturierte Herangehensweise an interdisziplinäre Forschungsfragen.
  • Interesse an sozialwissenschaftlichen und diskursanalytischen Methoden im Kontext der Energiewende.
  • Fähigkeit zur fundierten Argumentation und kritischen Reflexion wissenschaftlicher Hypothesen.
Created 14/02/25

Study data

Departments
  • Energieinformatik
Degree programmes
  • Master's Programme Computing Science
  • Master's Programme Business Informatics
Assigned courses
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