Informationen für Gasthörende

Informationen für Gasthörende

Zu erwartende TeilnehmerInnenzahl:
40
Besonderer Hinweis für Gasthörende
In dieser Veranstaltungen können Gasthörende u.U. dennoch aufgenommen werden. Melden Sie sich bitte per E-Mail an studium.generale@uni-oldenburg.de oder unter Tel. 0441/798-2275 oder -2276.
Zeit:
Dienstag: 08:00 - 10:00, wöchentlich (ab 02.04.2024), Ort: A06 0-009
Ort:
A06 0-009
Di. 08:00 - 10:00 (14x)
Voraussetzungen:
Angaben zum Inhalt:
Naturerkenntnis und Kulturkritik: Ralph Waldo Emerson und David Henry Thoreau Die beiden Begriffe „Naturerkenntnis“ und „Kulturkritik“ miteinander zu verknüpfen, so dass die existentiell-praktische und metaphysische Verhältnisbestimmung der Bedingungen des gesellschaftlichen Seins nachvollziehbar werden können, markieren den Ansatzpunkt der Lehrveranstaltung. Beide Termini sind nicht dem Erörterungsgegenstand willkürlich aufgepfropft worden, sondern den denkend-dichterischen und dichterisch-denkenden Positionen von Emerson (1803-1882) und Thoreau (1817-1862) entnommen. Als Mitbegründer der amerikanischen Renaissance im 19. Jahrhundert hatten sie das humanistische Erbe Europas im Sinne einer translatio studii aufgriffen, aber auch formbildend durch philosophisch-poetische Kritik und daraus folgenden Verwerfungen gegenüber staatlichen Verkrustungen verändert. Emerson und Thoreau gründeten in Concord, gelegen an der Ostküste im Bundesstaat Massachusetts, dem amerikanischen Gegenstück zu dem durch Wieland, Herder, Goethe und Schiller idealistisch konzipierten Fürsten- und Erziehungshof von Weimar, ein demokratisches Denkzentrum, in dem die Abschaffung der Sklaverei schon vor dem Sezessionskrieg gefordert, die transzendentale Bestimmung der Freiheit vorgenommen, ästhetische Diskurse über christlich-unitaristische Tendenzen innerhalb der Grenzen der Religion geführt oder ein phänomenologischer Natur-, Sprach- und Wissenschaftsbegriff als umfassendes Modernekonzept entwickelt wurde, an dem auch der Dichter Walt Whitman großen Anteil hatte. Im Kontext der Vernichtung indianischer Kulturen, expansiver Landnahme und Industrialisierung waren alternative Lebensformen wie Thoreaus schriftstellerische Einsiedelei am Walden Pond oder Selbstverwirklichungsprojekte in nachhaltigen Landkommunen entstanden. Emerson und seine Freunde schrieben und sprachen über philosophisch-literarische Erziehungskonzepte, feministische Ideen (Margret Fuller) und praktizierten naturverbundene Lebensstile (u. a. kontemplative Wanderungen in den Wäldern Neuenglands), wodurch intellektuell weitreichende Anstöße für spätere politische Akteure wie die amerikanische Bürgerrechts-, Studenten- und Hippiebewegung, den libertären Anarchismus, die Occupy-Solidarität oder Black Lives Matter erfolgten. Kurzum: Besonders das Nature Writing als literarisch-philosophische Gattung nicht-fiktionaler Naturbeschreibung als Mischung aus Naturgeschichte und Naturphilosophie bezieht sich auf die ökologische Lebensweise der indianischen Ureinwohner von Maine und konfrontiert die Entwicklung der Holzökonomie mit den urtümlichsten Orten jener Jägervölker der Wildnis, die noch im Einklang mit der Flora und Fauna ausgedehnter Fluss-, Seen und Waldlandschaften lebten, in denen große Säugetiere wie Elche, Wölfe, Hirsche und seltene Vogelarten vorkommen. Ob und wie Natur als Subjekt eigenen Rechts und demokratische Kultur als kreative Mittel des Zoon politikon aufzufassen seien und sich zu einer ethischen Synthese verdichten, wird anhand literarisch-philosophischer Gattungen von Traktaten, Vorträgen, Tagebucheinträgen und Essays untersucht. Leidenschaftliche Stimmen und anschaulich-poetische Denkbilder der „Kinder des Waldes“ (Emerson) sprechen zu uns in einer von Infantilismus, multiplen Krisen und Krieg geprägten Zeit. Gleichsam spiegelbildlich erzählen Emerson und Thoreau, dass technologische Fortschrittsideologie und anarchische Wirtschaftsweise allen Lebewesen den Garaus machten und keine Erlösung von den Grundübeln der Egomanie, Gier und Gleichgültigkeit bietet. Von den Algorithmen ihrer Zeit – dem Summen neuer Telegraphenkommunikationsleitungen entlang der Eisenbahnlinien – waren Emerson & Co genauso wie vom langsummenden Balzruf des dämmerungsaktiven Goat Milker (Ziegenmelker, Familie der Caprimulginae) fasziniert. Aber beide Denker erkannten die Zunahme unsinnlicher Ähnlichkeit des Menschen mit sich selbst und formulierten einen fundamentalen Kulturwandel, indem durch die Verbindung von Natur und Geist ein neues moralisches Gesetz entsteht. Im Kern beruht es auf der von antiken, religiösen und humanistischen Vorbildern (Anaximander, Platon, Paulus, Montaigne, Goethe) begründeten Achtung der Kreatur und dem zweckdienlichen Zusammenwirken aller natürlich-organischen Teile des Kosmos, worin sich die symbiotische Nutzbarkeit und Dienlichkeit der Natur als sich selbst stabilisierendes Apeiron erweist. Der Mensch ist nur ein Teil, nicht Herr der Natur, denn er hat sich den dynamisch wiederkehrenden Naturprozessen einzuordnen.
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