Veranstaltungsdetails - "Herbert Marcuses Ethik des Glücksversprechens (promesse du bonheur)"

Veranstaltungsdetails - "Herbert Marcuses Ethik des Glücksversprechens (promesse du bonheur)"

Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften
Institut für Philosophie
Wintersemester 2013/2014
"Herbert Marcuses Ethik des Glücksversprechens (promesse du bonheur)"
Zeit: Termine am Mo. 24.02. 14:00 - 17:00, Di. 25.02. - Mi. 26.02., Mi. 05.03. 10:00 - 17:30, Do. 06.03. - Fr. 07.03. 10:00 - 13:00
Veranstaltungsnummer: 4.03.815
Studienbereiche: Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Master > Philosophie > Vertiefungsmodule > phi510 Geschichte der Philosophie
Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Master > Philosophie > Vertiefungsmodule > phi520 Philosophie der Gesellschaft
Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Master of Education (Gymnasium) > Werte und Normen > Mastermodule > phi320 Praktische Philosophie und ihre Konsequenzen für die Gesellschaft
Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Master > Philosophie > Aufbaumodule > phi210 Geschichte der Philosophie
Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Master > Philosophie > Aufbaumodule > phi220 Praktische Philosophie - Ethik, Recht, Gesellschaft
Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Master of Education (Wirtschaftspädagogik) > Werte und Normen > Mastermodule > phi220 Praktische Philosophie - Ethik, Recht, Gesellschaft
Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Master of Education (Wirtschaftspädagogik) > Werte und Normen > Mastermodule > phi320 Praktische Philosophie und ihre Konsequenzen für die Gesellschaft
Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Master of Education (Sonderpädagogik) > Werte und Normen > Mastermodule > phi220 Praktische Philosophie - Ethik, Recht, Gesellschaft
Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Zwei-Fächer-Bachelor > Philosophie / Werte u. Normen > Aufbaumodule > phi210 Geschichte der Philosophie
Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Zwei-Fächer-Bachelor > Philosophie / Werte u. Normen > Aufbaumodule > phi220 Praktische Philosophie - Ethik, Recht, Gesellschaft
Fakultät 4: Human- und Gesellschaftswissenschaften > Master of Education (Gymnasium) > Philosophie > Mastermodule > phi320 Praktische Philosophie und ihre Konsequenzen für die Gesellschaft
DozentIn Prof. Dr. (Yeditepe University) Martin Vialon
Heimat-Einrichtung: Institut für Philosophie
Typ der Veranstaltung: Seminar in der Kategorie Lehre
Art der Veranstaltung: Blockseminar
Beschreibung: Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen! Seien Sie herzlich willkommen zur Lehrveranstaltung über Herbert Marcuse (1898-1979) und dessen Fundierung eines normativen und zugleich antinormativ-befreienden Glücksbegriffs. Der Titel des Seminars mag auf den ersten Blick vielleicht darauf schließen lassen, dass sich die Bedeutung von Glück als ein allgemein und individuell anzustrebendes Gut leicht und mühelos erschließt. Beim genaueren Studium und der Diskussion von Marcuses Texten wird sich jedoch zeigen, dass wir es mit einer komplexen ethischen Wertkonstruktion zu haben, deren einerseits antike Wurzeln in Aristoteles‘, Platons und Epikurs Eudämonismus zu lokalisieren sind; andererseits hatte Marcuse sittliche Anleihen aus den unterschiedlichen Konzeptionen von Kants, Schillers und Marx‘ Morallehren gezogen. Aber dies ist auf systematisch-historischer Ebene noch nicht alles, denn neben den klassisch-aufgeklärten Anteilen kommen ästhetisch-romantische und psychologisch-biologische Dimensionen hinzu, die durch Stendhals Liebes- und Kunstbegriff sowie Sigmund Freuds Trieblehre gegeben sind. Aus diesem Komplex ergeben sich einige Fragen, die folgendermaßen lauten könnten: Wie fügt Marcuse diese verschiedenen Ansätze und Traditionen synthetisch zusammen? Welche begrifflichen und historischen Faktoren tragen zur kritischen Ausrichtung seiner sozial orientierten Ethik bei? Hinsichtlich des antiken Untergrunds ließe sich sagen, dass Marcuse an dem Stufenweg sinnlicher Erkenntnis des Schönen durch die Entfaltung des pädagogischen Eros festhält und dabei gleichzeitig der Vernunft und dem Logos das ansteigende Verstehen des Guten und Wahren im Prozess der Höherbildung des Menschen beimisst. Allerdings ist Marcuse bewusst, dass dieses ethisch-ästhetische Ideal, aus dem der Versuch des rechten Handelns sich ableiten soll, sowohl in der Antike wie auch in der Gegenwart nicht entsprochen worden war, weil die Verbindung von Logos und Eros, Leib und Geist, Vernunft und Sinnlichkeit verdrängt wurde. Deutlich wird dies, wenn Marcuse im Rückgriff auf die Schiller’sche und Freud‘sche Anthropologie verdeutlicht, dass die gesamte Kultur auf Triebverzicht beruht, was wiederum mit der Einschränkung von Glück und der Schmälerung von Befriedigungen und Bedürfnissen verbunden ist. Genau deshalb verbindet Marcuse die traditionellen Ideen des Glücks mit dem Projekt praktisch-menschlich-sinnlicher Tätigkeit, wie er es in Marx‘ Frühschriften (Feuerbach-Thesen, Pariser Manuskripte) vorfindet. Aus dieser Perspektive ergibt sich die Dimension einer alternativen, zunächst negativen Praxis, die auf dem Gebot der „Großen Weigerung“ gegenüber dem Faktisch-Wirklichen und dem Verbot des blinden Folgens einer reinen Genusslehre beruht. Angestrebt wird durch diese Negation die Möglichkeit der Verwirklichung von qualitativ mehr Humanität, die zur rationalen Umwandlung der bestehenden Ordnung und ihrer Normativitäten beitragen soll. Aber hierbei entsteht die Schwierigkeit einer ungleichwertigen Ethik, wodurch individuell und kollektiv ethisches Handeln implizit fremdbestimmt sein könnte. Die weitere Problematik besteht darin, ob es in Marcuses Ethik und Freiheitslehre nicht doch mehr Brüche als Konstanten gibt bzw. ob er – angesichts der historischen Verhältnisse des Nationalsozialismus, des Kalten Krieges und des kolonialen Zeitalters sowie unter dem Einfluss der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, der bundesrepublikanischen Studentenbewegung und der „Neuen Linken“ – bestimmte Umgestaltungen, Erneuerungen oder Variationen innerhalb seines Eudaimonia-Modells vorgenommen hat, ja sogar vornehmen musste. Vor allem wohl deshalb, weil sich die klassische Trägergestalt marxistischer Theorie als spätes Industrieproletariat mehr oder weniger stillschweigend in das bestehende Arbeits- und Wertsystem integrierte. Ob damit heute Marcuses Ethiktheorie in immer weitere Ferne gerückt und anspruchslos geworden ist, oder ob nicht gerade angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und metaphysischen Weltkrise das Gegenteil der Fall sein könnte, indem sich neue historische Kräfte im Rahmen der bestehenden Gesellschaften entwickeln (man denke an die zumeist gut ausgebildeten, jungen bürgerlichen Kräfte, die in der Türkei als Hauptträgerschaft die Gezi-Park-Protestbewegung konstituierten), wäre zumindest eine Überlegung wert, der weiter nachzuspüren wäre. Organisationsform Das Ziel der Lehrveranstaltung besteht im Erwerb und der intellektuellen Durchdringung grundlegender ethischer und praxisorientierter Denkfiguren Herbert Marcuses. Erwartet werden die vorbereitende Lektüre der Texte, die regelmäßige Teilnahme und Beteiligung an der Diskussion. Wer zusätzlich einen kurzen Hausarbeitsessay als Übung verfassen möchte, gibt am Ende des Seminars das Thema bekannt. Die Lektüre der Sekundärliteratur gehört nicht zum Pflichtprogramm, sondern stellt eine erste Orientierung für diejenigen dar, die vielleicht einen Essay auszuarbeiten gedenken. Philosophische Primärtexte Marcuse, Herbert: Über den affirmativen Charakter der Kultur [1937]. In: Ders.: Kultur und Gesellschaft 1, Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1965, S. 56-101 (edition suhrkamp 101). - Philosophie und kritische Theorie [1937] In: Ebd., S. 102-127. - Zur Kritik des Hedonismus [1938]. In: Ebd., S. 128-168. - Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud [1957]. Deutsch von Marianne und Eckardt Jaffe, Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1987, S. 17-58 [Kapitel: „Die verborgene Tendenz der Psychoanalyse“]; S. 140-194 [Kapitel: „Phantasie und Utopie“] (Bibliothek Suhrkamp, Bd. 158). - Der eindimensionale Mensch. Studien zu Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft [1964]. Übersetzt von Alfred Schmidt, Neuwied und Berlin: Hermann Luchterhand Verlag 1970, S. 76-102 [Kapitel: „Der Sieg über das unglückliche Bewußtsein: repressive Entsublimierung“]. - Ethik und Revolution [1964]. In: Ders.: Kultur und Gesellschaft 2, Frank-furt/Main: Suhrkamp Verlag 1965, S. 130-146 (edition suhrkamp 135). - Versuch über die Befreiung. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Helmut Reinicke und Alfred Schmidt, Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1969 (edition suhrkamp 329). - Kulturrevolution [1970]. In: Ders.: Nachgelassene Schriften. Band 1: Das Schicksal der bürgerlichen Demokratie. Herausgegeben von und mit einem Nachwort von Peter-Erwin Jansen, Lüneburg: zu Klampen Verlag 1999, S. 81-134. Sekundärliteratur - Cacinovic-Puhovski, Nadezda: Schiller und die Folgen. Marcuses ästhetische Bildung. In: Flego, Govzden/Schmied-Kowarzik, Wolf: (Hg.): Herbert Marcuse – Eros und Emanzipation. Marcuse-Symposium 1988 in Dubrovnik, Gießen: Germinal Verlag 1988, S. 341-347. - Görlich, Bernhard: Die Wette mit Freud. Marcuses Projekt einer Historisierung des Freudschen Triebbegriffs. Ein Problemaufriß. In: Ebd. (Herbert Marcuse – Eros und Emanzipation), S. 95-114. - Holz, Hans Heinz: Utopie und Anarchismus. Zur Kritik der kritischen Theorie Herbert Marcuses, Köln: Pahl-Rugenstein Verlag 1968. - Jansen, Peter-Erwin (Hg.): Zwischen Hoffnung und Notwendigkeit. Texte zu Herbert Marcuse, Frankfurt/Main: Verlag Neue Kritik 1999. - Kofler, Leo: Haut den Lukács – Realismus und Subjektivmus. Marcuses ästhetische Gegenrevolution, Lollar: Verlag Andreas Achenbach 1977. - Sahmel, Karl-Heinz: Vernunft und Sinnlichkeit. Eine kritische Einführung in das politische und philosophische Denken Marcuses, Königstein/Ts.: Verlag Anton Hain 1979.
Ort: S 2-206
TutorInnen: Eike Köhler
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