Seminar: 4.03.1205 René Descartes und Blaise Pascal: Rationalität und Religion - Details

Seminar: 4.03.1205 René Descartes und Blaise Pascal: Rationalität und Religion - Details

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Allgemeine Informationen

Veranstaltungsname Seminar: 4.03.1205 René Descartes und Blaise Pascal: Rationalität und Religion
Untertitel
Veranstaltungsnummer 4.03.1205
Semester SoSe2022
Aktuelle Anzahl der Teilnehmenden 28
erwartete Teilnehmendenanzahl 30
Heimat-Einrichtung Institut für Philosophie
Veranstaltungstyp Seminar in der Kategorie Lehre
Erster Termin Montag, 25.04.2022 10:15 - 11:45, Ort: A01 0-006
Art/Form
Lehrsprache deutsch

Räume und Zeiten

A01 0-006
Montag: 10:15 - 11:45, wöchentlich (12x)

Modulzuordnungen

Kommentar/Beschreibung

Wer die philosophischen Grundlinien im Werk von René Descartes (1596-1650) und Blaise Pascal (1623-1662) entdecken und näher kennen lernen möchte, ist hier goldrichtig. Kaum andere Denker (abgesehen von Spinoza, Pierre Bayle, Leibniz oder Bernard le Bovier de Fontenelle) hatten im 17. Jahrhundert, dem Zeitalter des Nominalismus, der Religionskriege und Hugenottenverfolgungen in Europa, die theoretischen und praktischen Seiten der Philosophie so streng miteinander verkettet.
Zu betrachten sind einige Essays und Fragmente hinsichtlich ihrer besonderen Konstruktion des Zusammenspiels von Rationalität und Religion, die wechselseitig sowohl aus dem Antrieb tiefster Religiosität wie auch erkenntniskritischer Rationalität positiv, d. h. sich nicht abstoßend oder radikal ausschließend, begründet worden sind. Dabei stellt sich bezüglich Descartes‘ „Discours“ (1637) und „Meditationen“ (1641) die Frage nach der Funktion der res cogitans und res extensa, oder wie die Selbstbestimmung des Ich als Verlegung der Seinsgewissheit in das denkende Bewusstsein erfolgt und wie mittels metaphysischen Zweifels dessen Operationalisierbarkeit eben nicht bekämpft wird, sondern skeptisches Denken als tiefgehende Erkenntnisbohrung zur Anwendung gelangt. Ferner betrifft die Lektüre wesentliche Probleme des Verhältnisses zwischen Denken und Sein, Wesen und Existenz, die Materialität der Körper und die Immaterialität der Seele, Descartes‘ Vorbehalt gegenüber den Sinneswahrnehmungen, die Auffassung vom Evidenzcharakter der Dinge und deren Ordnung, das Spiegelverhältnis zwischen Gott und Mensch (concursus dei?), den Zirkelschluss des Glaubens und Unglaubens, den freien Willen oder auch die Notwendigkeit des Irrtums („si enim fallor, sum“ als Implikation des „je pense, donc je suis“).
Die gemeinsame Lektürebesprechung soll verdeutlichen, dass sich Descartes‘ Erkenntnisinteresse nicht nur einseitig auf das Studium der Gewissheit physikalisch-naturwissenschaftlich erklärbarer Kausalitäten beschränkte, sondern vor allem die syllogistische Systematik metaphysischer Begründungen aristotelischer Provenienz bereithält, um zu belegen, dass Gott als existierendes Wesen gedacht werden könne. Dabei bleibt bei Descartes die Behandlung des Problems der Geschichte als Tathandlung des Menschen ausgespart. Demgegenüber zeichnet sich die menschliche Natur nach Pascal als Bezirk wechselnder Ungewissheiten, Unsicherheiten und Unbestimmtheiten (Metapher vom Schilfrohr) aus. Deshalb impliziert auch Pascals Metapher von der Größe und dem Elend des Menschen als aufgetürmter Verschuldungsberg den Beginn einer neuen Kultur- und Wissenschaftskritik, die sich speziell den Phänomenen psychologisch-anthropologischer, historischer, ästhetischer und politischer Erfahrungen zuwendet, wozu u. a. die Analyse und Kritik von Themen wie Gewalt, Tyrannei, Ruhelosigkeit, Zerstreuung der Ungerechtigkeit zählen. Auf ästhetischer Ebene wird deutlich, dass Pascals philosophisch-literarischer Stil einzigartig ist, indem energetische Schnellkraft des Denkens, aphoristische Prägnanz und lakonische Pointierung am engen Horizont anschaulich-sparsamen Wortmaterials zusammentreffen und so die Tiefenwirkungen seiner auch paradoxen Ideen- und Wortkontraste widerspiegeln.
Entlang der Lektüre einiger Essays, insbesondere der „Pensées“ (1657, postum 1670), wird ebenso die ethische Bedeutung des Gewissheitsorgans des Herzens, das fühlende „Gesetz des Herzens“, als vorrationales, vorwillentliches Persönlichkeitszentrum bestimmt, worin sich die Gehalte transzendenter Ordnung und Daseinsfürsorge des Menschen formieren (u. a.: Wette mit Gott). Es wird danach gefragt, auf welche Weise Pascals Anthropologie mit der augustinischen Gnaden- und Prädestinationslehre korrespondiert, ob sich Überschneidungen zu Descartes‘ „Meditationen“ ergeben und wie sich die krisenhafte Bekehrung zum Christentum im Kontext der Auseinandersetzung mit dem Jansenismus von Port Royal auch als ideelles Bekenntnis zu Montaignes Skepsis und Epiktets stoischer Ethik entwickelte.
Erwartungen: Neugierde, Lust und Freude an der Philosophie. Ansonsten sind keine besonderen Vorkenntnisse erforderlich. Aber erforderlich sind regelmäßige Teilnahme und Vorbereitung der jeweiligen Sitzungen durch eigene Lektüre, um das anschließende Seminargespräch führen zu können. Zur ersten Sitzung sollten die Kapitel 1 und 2 von Descartes‘ „Discours“ (S. 1-37, s. Bibliographie) gelesen sein.
Organisationsform: Aktuell als Seminar in Präsenzlehre nach geltender Gesetzeslage geplant. Die Anschaffung aller Primärtexte wird empfohlen, die auch über das ZVAB (Zentrales Verzeichnis antiquarischer Bücher) günstig zu erwerben sind. Ein Handapparat inklusive Forschungsliteratur wird in der UB (2. Stock) zur Verfügung gestellt.
Primärliteratur:
Descartes, René: Discours de la méthode [1637]. Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Forschung. Übersetzt und herausgegeben von Lüder Gäbe. Französisch – deutsch. Hamburg: Felix Meiner Verlag 1990.
Ders.: Meditationen. Mit sämtlichen Einwänden und Erwiderungen [1641]. Übersetzt und herausgegeben von Christian Wohlers. Hamburg: Felix Meiner Verlag 2009.
Pascal, Blaise: Oeuvres complètes. Texte établie et annoté par Jaques Chevallier. Paris: Librairie Gallimard 1954 (Bibliothèque de la Pléiade).
Ders.: Gedanken [1657] Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann. Kommentar von Eduard Zwierlein. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 2012.
Ders.: Über die Religion und über einige andere Gegenstände (Pensées). Übertragen und herausgegeben von Ewald Wachsmuth. Heidelberg: Verlag Lambert Schneider 1978.
Ders.: Vermächtnis eines großen Herzens. Die kleineren Schriften. Überragen von Wolfgang Rüttenauer. Leipzig: Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung 1938.
Pascal, Gilberte: Das Leben Monsieur Pascals beschrieben von Madame Périer seiner Schwester, der Frau von Monsieur Périer, dem Rat am Steueramt von Clermont. In: Blaise Pascal: Kleine Schriften zur Religion und Philosophie. Übersetzt von Ulrich Kunzmann. Mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Albert Raffelt. Hamburg: Felix Meiner Verlag 2005, S. 3-57.
Pascal, Blaise: Betrachtungen über die Geometrie im Allgemeinen – Vom geometrischen Geist – Von der Kunst zu überzeugen [1655]. In: Ebd., S. 69-108.
Ders.: Gespräch des Herrn de Sacy über Epiktet und Montaigne [1655]. In: Ebd., S. 111-147.
Ders.: Drei Abhandlungen über die Stellung der Großen [1660]. In: Ebd., S. 343-350.
Forschungsliteratur:
Armogathe, Jean-Robert: Einführung [1986]. In: Pascal: Gedanken über die Religion und einige andere Themen. Herausgegeben von Jean-Robert Armogathe. Aus dem Französischen übersetzt von Ulrich Kunzmann. Stuttgart: Philipp Reclam Jun. 2012, S. 7-32.
Borkenau, Franz: Zur Soziologie des mechanistischen Weltbildes. In: Zeitschrift für Sozialforschung. Herausgegeben vom Institut für Sozialforschung Frankfurt/Main, Jg. 1, 1932, S. 311-335.
Friedrich, Hugo: Pascals Paradox: Das Sprachbild einer Denkform [1936]. In: Ders.: Romanische Literaturen I./II. Frankfurt/Main: Vittorio Klostermann Verlag 1972, S. 84-138.
Ders.: Pascal [1950]. In: Ebd., S. 139-158.
Goldmann, Lucien: Weltflucht und Politik. Dialektische Studien zu Pascal und Racine [1959]. Übersetzt von Alexander von Platen. Neuwied, Berlin: Hermann Luchterhand Verlag 1967.
Heeß, Manfred: Blaise Pascal. Wissenschaftliches Denken und christlicher Glaube. München: Wilhelm Fink Verlag 1977.
Kemmerling, Andreas: Ideen des Ichs. Studien zu Descartes. Frankfurt/Main: Vittorio Klostermann Verlag 22005.
Perler, Dominik: René Descartes [1998]. München: C. H. Beck Verlag, 2., erweiterte Auflage 2006.
Schmidt-Biggemann, Wilhelm: Blaise Pascal. München: C. H. Beck Verlag 1999.
Zeitplan:
25. 04. 2022: Einführung, Descartes: Discours
02. 05. 2022: Descartes: Discours
09. 05. 2022: Descartes: Discours
16. 05. 2022: Ich: Abwesend auf einer Erich Auerbach-Konferenz in Köln; Sie: Eigenlektüre von Descartes‘ Discours oder den Meditationen
23. 05. 2022: Descartes: Meditationen
30. 05. 2022: Descartes: Meditationen
06. 06. 2022: Pfingstmontag
13. 06. 2022: Descartes : Meditationen
20. 06. 2022: Pascal: Gespräch des Herrn de Sacy über Epiktet und Montaigne
27. 06. 2022: Pascal: Betrachtungen über die Geometrie im Allgemeinen – Vom geometrischen Geist und Von der Kunst zu überzeugen
04. 07. 2022: Pascal: Pensées
11. 07. 2022: Pascal: Pensées
18. 07. 2022: Pascal: Pensées
03. 07. 2018: Pascal: Drei Abhandlungen über die Stellung der Großen; Abschlussgespräch

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